Der Goldpreis hat gerade einen neuen historischen Höchststand erreicht. Handelt es sich dabei um einen grundlegenden Trend oder lediglich um eine vorübergehende Phase? In jedem Fall sind alle Bedingungen für eine Fortsetzung der Hausse gegeben. Die Unsicherheit, die treibende Kraft hinter den Kursgewinnen des Edelmetalls, ist in den großen Fragen, die sich heute stellen, allgegenwärtig. Wie wird der Konflikt im Nahen Osten enden? Wird der Westen die Ukraine schließlich aufgeben? Wird China eine Offensive gegen Taiwan starten, jetzt, da Xi Jinping dazu aufruft, die militärische Bereitschaft zu erhöhen? Wie wird sich die Spaltung zwischen der westlichen und der östlichen Hemisphäre entwickeln? Wie werden die Wahlen in den USA ausgehen? Wie werden Regierungen und Zentralbanken auf wirtschaftliche und finanzielle Spannungen reagieren?

Im Januar dieses Jahres sagten wir voraus, dass der Goldpreis neue Rekorde erreichen würde. Es bestand kein Zweifel daran, dass die Zeit, in der wir uns befanden und in der viel auf dem Spiel stand, für einen Anstieg des gelben Metalls günstig war. Obwohl das Jahr noch nicht zu Ende ist, hat der Goldkurs bereits 32 % zugelegt (und ist damit auf dem Weg, die beste Jahresperformance seit 1979 zu verzeichnen), während US-Aktienindizes wie der S&P 500 und der Nasdaq um 20 % bzw. 30 % gestiegen sind. Dieser Unterschied wird im Laufe der Zeit noch deutlicher werden, da die Goldhausse auf strukturellen Faktoren beruht, während die Performance der US-Märkte größtenteils von der Unterstützung der Federal Reserve abhängt.

Um die diesjährige Entwicklung zu verstehen, ist es daher notwendig, auf die wichtigsten Ereignisse zurückzublicken. Die Inflation, traditionell eine wichtige Antriebskraft steigender Goldpreise, steht im Zentrum der aktuellen Dynamik. Sie wird oft als reine Verteuerung der Preise wahrgenommen, ist aber in Wirklichkeit die sichtbare Manifestation eines viel tiefer liegenden Phänomens: der Entwertung des Geldes. Aufgrund der ausufernden Geldschöpfung verliert das moderne Geld, d. h. das Schuldgeld, im Laufe der Zeit an Wert. Im Fall des Euro wird das besonders deutlich: Seit ihrer Einführung in den 2000er Jahren hat die europäische Gemeinschaftswährung fast 85 % ihres Wertes verloren.

Gold ist dagegen von Natur aus nicht von diesem Wertschwund betroffen. Knappheit ist in dieser Gleichung das zentrale Element: Die Marktkapitalisierung von Gold beläuft sich auf 20 Billionen US-Dollar, während die weltweiten Schulden heute mehr als 315 Billionen US-Dollar betragen... Genauso wenig wie man Weizen oder Baumwolle drucken kann, kann man Gold drucken, dessen Menge im Gegensatz zu den Schulden begrenzt ist. Die Zeiten, die wir gerade durchleben und die das Ende von Jahrzehnten des billigen Geldes in einer grenzenlos erscheinenden Welt bedeuten, heben diese Herausforderung sowohl aus ideologischer als selbstverständlich auch aus finanzieller Sicht hervor. Daher ist die Attraktivität des Edelmetalls für institutionelle und private Anleger heute so groß. Zudem wächst die Attraktivität von Gold, wenn die Inflation zunimmt, wie es seit der Gesundheitskrise der Fall ist, als Unmengen neuen Geldes geschöpft wurden und die Inflationsrate zweistellig wurde. Gold erlebt einen regelrechten Höhenflug im Verhältnis zu den wichtigsten Währungen und kann sogar die Auswirkungen der Preisanstiege weitgehend ausgleichen.

Das bringt uns zu einem weiteren entscheidenden Punkt, der oft übersehen wird: die Refinanzierung der Schulden. Das Risiko finanzieller Spannungen war schon immer ein Katalysator für Gold. Die Vereinigten Staaten sind in dieser Hinsicht ein großer Problemfall, da heute offensichtlich ist, dass die öffentliche Verschuldung des Landes nicht mehr tragbar ist. Nicht nur, dass die US-Staatsschulden in den letzten drei Wochen um 500 Milliarden Dollar gestiegen sind (das sind 1500 Dollar pro Haushalt!) und die Obergrenze nach den US-Wahlen erneut angehoben wird – darüber hinaus muss das US-Finanzministerium in den nächsten Monaten auch mehr Staatsanleihen ausgeben als Nachfrage für die Schuldverschreibungen vorhanden ist.

Das bedeutet, dass die Lösung wahrscheinlich eine Monetisierung dieser Schulden durch die US-Zentralbank sein wird – also eine Ausweitung der Geldmenge, die den Wertverlust des Dollars weiter beschleunigt. Die Höhe fällig werdender Schuldtitel, die refinanziert werden müssen, ist in diesem Zusammenhang übrigens ein Faktor, den man auch in anderen Ländern im Auge behalten sollte. Frankreich beispielsweise hat mittlerweile Zinskosten von 50 Milliarden Euro für seine Staatsschulden (das sind etwa 800 Euro pro Franzose!), plant aber dennoch 2025 fast 175 Milliarden Euro zusätzlich aufzunehmen, und zwar allein für die Rückzahlung der fällig werdenden Anleihen. Auf internationaler Ebene dienen mittlerweile etwa 75 % aller Transaktionen an den Finanzmärkten der Refinanzierung bestehender Schulden. Bei einer durchschnittlichen Laufzeit von sieben Jahren bedeutet dies, dass jährlich globale Schulden im Wert von etwa 50 Billionen US-Dollar refinanziert werden müssen. Eine echte Zeitbombe, die unsere Einschätzung, dass sich die Zentralbanken in einem Dilemma zwischen Währungs- und Finanzkrise befinden, deutlicher bestätigt denn je.

Die Entscheidungen der Notenbanken und insbesondere die der Fed, die nach wie vor die Zentralbank der Welt ist, spielten in diesem Jahr eine Schlüsselrolle für den Goldpreis. Nach einer Phase der geldpolitischen Straffung entschieden sie sich im Sommer für eine Pause und anschließend für eine Senkung der Zinssätze. Nach vier Jahren steigender Zinsen markierte dies einen Wendepunkt. Diese Entscheidung schmälerte den Wert von Anleihen und anderen Vermögenswerten mit kurzer Laufzeit, was wiederum die Attraktivität von Gold erhöhte. Die nächsten Zinssenkungen, die in den kommenden Wochen und Monaten erwartet werden, werden diesen Trend verstärken. Und wenngleich der Dollar den Goldpreis kaum noch beeinflusst (Gold hat sich mittlerweile von seinen historischen Einflussfaktoren abgekoppelt), könnte die aktuelle Überbewertung der US-Währung – geschätzt auf fast 10 % – dem gelben Metall doch ebenfalls neue Unterstützung bieten.

Darüber hinaus erleben wir eine umfassende Neugestaltung der globalen Finanzlandschaft. Die Entdollarisierung wird für viele Staaten zur Priorität, lokale Währungen gewinnen im internationalen Handel an Bedeutung und die Flucht nach vorn der westlichen Mächte in Sachen Wirtschaft schafft Raum für den Aufbau neuer Strukturen durch die BRICS-Staaten – darunter das laufende russische Projekt zur Nachrichtenübermittlung. Die Umwälzungen unserer heutigen Zeit bringen Änderungen in der Haushalts- und Finanzpolitik mit sich, die dem Goldpreis zugutekommen (und eignen sich zudem hervorragend als Anlass, um auf einem eigens dafür vorgesehenen Gipfel ein neues internationales Wirtschaftssystem zu organisieren).

In diesem Zusammenhang lohnt es sich daran zu erinnern, dass die Zentralbanken der BRICS-Staaten die größten Goldkäufer sind. Und ihr Beitrag ist von großer Bedeutung. Sie bauen ihre Reserven weiterhin in hohem Tempo auf und sorgen so für eine solide und offensichtlich langfristige institutionelle Nachfrage. Mit dem Kauf mehr als 1000 Tonnen pro Jahr in den letzten beiden Jahren – eine historische Rekordmenge, die noch nie zuvor erreicht wurde – zeigen sie einen klaren Willen: Sie wollen ihre Volkswirtschaften angesichts der zunehmenden globalen Instabilität und der einseitigen Wirtschaftssanktionen des Westens (insbesondere der Sanktionen gegen den Iran zu Beginn der 2010er Jahre und gegen Russland im Jahr 2022) absichern. Diese Entwicklung könnte sich sogar noch beschleunigen, vor allem angesichts von Äußerungen wie der von Donald Trump, der im Falle seiner Wiederwahl Strafzölle in Höhe von 100 % gegen Länder verhängen will, die den Dollar nicht mehr verwenden. In den vergangenen Jahren hatte die Extraterritorialität des Dollars in Verbindung mit den verhängten Wirtschaftssanktionen zu einer Beschleunigung der weltweiten Entdollarisierung geführt. Heute werden bereits 65 % des Handels zwischen den BRICS-Staaten ohne die US-Währung abgewickelt, während der Anteil des Dollars an den internationalen Währungsreserven immer weiter sinkt...

Unter all diesen wichtigen Akteuren nimmt China eine zentrale Position ein. Als treibende Kraft dieser Bewegung hat China ein besonderes Interesse am Ausbau seiner Goldbestände (wenngleich nicht alle Käufe des Landes offiziell registriert werden), und zwar sowohl aus finanziellen als auch aus politischen Gründen, da es nach wie vor starke Spannungen mit den USA gibt. China ist in dieser Hinsicht jedoch keineswegs isoliert. Dieses Phänomen ist Teil eines globalen Trends zur Diversifizierung der Währungsreserven. Die anhaltenden geopolitischen Konflikte (darunter der Krieg in der Ukraine, der Nahostkonflikt und das zunehmende Konfliktrisiko in Taiwan), die US-Präsidentschaftswahl und deren nicht zu unterschätzender Einfluss auf das Weltgeschehen, sowie die Käufe der Zentralbanken, die eine vertrauensbildende Wirkung haben, veranlassen immer mehr Anleger dazu, traditionellen Finanzanlagen, die nunmehr als zu riskant betrachtet werden, den Rücken zu kehren und stattdessen in Gold zu investieren. Und das nicht nur in den Ländern des sogenannten „globalen Südens“, sondern auch in der westlichen Hemisphäre. Seit diesem Sommer kaufen die Investoren auch hier im großen Stil Gold und die börsengehandelten Gold-Fonds konnten mehrere Monate in Folge Kapitalzuflüsse verbuchen.

Diese massiven Kapitalströme sind kein Zufall. Sie sind Teil einer historischen Dynamik, die zur Folge hat, dass Gold in unwägbaren Zeiten nicht nur als sicherer Hafen, sondern auch als Indikator für kommende Krisen dient. Seine Kursentwicklung in diesem Jahr stellt dies erneut unter Beweis, während sich die geopolitischen Konflikte zuspitzen und die Krisenanfälligkeit der Weltwirtschaft immer deutlicher zu Tage tritt. Diese offensichtliche erscheinende Realität wird jedoch erst durch eine Analyse langer Zeiträume wirklich verstanden werden. Wir stehen an der Schwelle zu großen Umbrüchen und Gold scheint mehr denn je bereit zu sein, seine historische Rolle zu spielen.

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