Was wäre, wenn wir zum Goldstandard zurückkehren würden, um eine stabile Beziehung zwischen der Währung und Gold herzustellen? Das ist die Frage, die der französische Ökonom Philippe Herlin stellt, der zudem Autor des Buches „L’or, und placement d’avenir“ („Gold, ein Investment der Zukunft“) ist und regelmäßig Beiträge für GoldBroker.com verfasst.

 

BAB: Das gelbe Metall hat die symbolische Hürde von 2.000 Dollar am 4. August dieses Jahres überwunden. Welche Faktoren haben diesen Preisanstieg ermöglicht?

Philippe Herlin: Der Hauptfaktor ist das zunehmende Misstrauen gegenüber den Währungen. Die Zentralbanken lassen ihre Druckerpressen auf Hochtouren laufen, während die Produktion realer Güter im Zuge der Gesundheitskrise abnimmt. Was ist dieses Geld also wert? Was sind die wichtigsten Währungen, der Dollar, der Euro, der Yen, der Yuan wirklich wert? Die Investoren besinnen sich zurück auf Gold, die uralte, erprobte Währung des Vertrauens.

Verschiedene Analysten glauben, dass die Hausse noch nicht vorüber ist. Was denken Sie darüber?

Der vorherige Preisrekord wurde 2011 verzeichnet. Damals befand sich Europa mitten in der Staatsschuldenkrise und die Pleite Griechenlands machte eine Implosion des Euros zur realen Gefahr, aber die Europäische Union und die EZB nahmen die Dinge selbst in die Hand (indem sie noch mehr Schulden erschufen).

Dieses Mal stehen wir am Anfang eines gigantischen Konjunkturplans. Die Zentralbanken, die die wichtigen internationalen Währungen herausgeben (Dollar, Euro, britisches Pfund, Yen, Yuan) können nicht mehr zurück, d. h. sie können nicht aufhören, die Schulden ihrer jeweiligen Regierung aufzukaufen und sind nicht in der Lage, die Zinsen wieder auf ein normales Niveau anheben. Es ist zu spät, die Gesamtverschuldung ist zu hoch, das Kartenhaus wird einstürzen. Letztlich droht Inflation… Also ja, Gold hat eine strahlende Zukunft.

 

„Wenn die Gesamtverschuldung zu hoch ist, wird das Kartenhaus einstürzen. Letztlich droht Inflation… Also ja, Gold hat eine strahlende Zukunft.“

 

Welchen Einfluss hat der Anstieg des Goldpreises auf die Weltwirtschaft in einem Kontext, der von der Coronavirus-Pandemie und dem Handelskrieg zwischen China und den USA bestimmt wird? Und was wird das für Schwellen- und Entwicklungsländer wie z. B. Marokko bedeuten, das nur 22 Tonnen an Goldreserven besitzt?

Der Aufwärtstrend des Goldpreises hat keinen direkten Einfluss auf die Wirtschaft selbst. Er legt vielmehr den Wertverlust der Währungen offen, den die Wirtschaftsakteure einkalkulieren müssen. Es besteht das Risiko einer Inflation oder gar einer Hyperinflation, mit all ihren Folgen: Explosion der Preise, Devisenkontrolle, Bankenpleiten, Verlust von Ersparnissen, Kollaps der Wirtschaft etc. Das ist genau das, was z. B. der Libanon gerade durchmacht. Was Marokko betrifft, wird das Land einer Krise der bedeutendsten internationalen Währungen nicht viel entgegenzusetzen haben, wenn sich seine Goldreserven lediglich auf 22 Tonnen belaufen.

Der Rat, den ich Investoren, Unternehmern und Einzelpersonen gebe, ist die Diversifizierung Ihrer Währungen: Zusätzlich zur Währung Ihres jeweiligen Landes sollten Sie Euro, Dollar (mit Vorsicht), Gold – welches seine monetäre Funktion im Krisenfall schnell zurückgewinnen könnte – und auch Bitcoin besitzen. Letzteres ist mit einem Wallet auf Ihrem Smartphone leicht zu nutzen.

Die Verwendung von Bitcoin nimmt vor allem in Schwellenländern stark zu, in denen die Währungen kollabieren oder hohe Inflationsraten aufweisen, was natürlich Sinn ergibt. Das ist das Konzept von Hayeks Idee des Währungswettbewerbs: Lassen Sie mehrere Währungen zirkulieren, geben Sie den Menschen die Wahl, und in einer Krise wird die Wirtschaft viel widerstandsfähiger sein. Angesichts der Regierungen, die die Währungen eher schlecht als recht verwalten, muss jeder selbst seine monetäre Autonomie sicherstellen. Das Schlüsselwort dazu heißt: Diversifizierung.

Die Bürger sollten sich jedoch auch kollektiv engagieren, um ihr Land dazu anzuspornen, die Währung so gut wie möglich zu verwalten und als Gemeinschaftsgut zu betrachten. Dazu gehört auch, die Regierung nicht permanent um mehr Geld zu bitten, sondern stattdessen wirtschaftliche Freiheiten zu fordern, damit jeder Einzelne zum Wohlstand der Nation beitragen kann. Das ist anfangs fraglos der schwierigere Weg, aber langfristig wird es sich auszahlen.

 

„Der Rat, den ich Ihnen gebe, ist die Diversifizierung Ihrer Währungen: Zusätzlich zur Währung Ihres jeweiligen Landes sollten Sie Euro, Dollar (mit Vorsicht) und Gold besitzen. Letzteres könnte seine monetäre Funktion im Krisenfall schnell zurückgewinnen.“

 

In seinem Buch „Histoire de l’or“ („Geschichte des Goldes“) schließt René Sédillot mit dem folgenden Satz: „Damit Gold seine Funktionen und Vorteile verliert […] wäre es nötig und ausreichend, dass Frieden zwischen den Nationen herrscht.“ Warum hat Gold noch immer diese Symbolbedeutung im „Herzen der Menschen“?

Diese Sichtweise ist nicht ganz korrekt. Gold ist mit Sicherheit der wichtigste sichere Hafen, der insbesondere in Krisenzeiten an Bedeutung gewinnt. Aber wie uns die Geschichte zeigt, ist Gold eben auch mehr als das. Es ist zudem eine Absicherung gegen die Inkonsistenz der Regierungen, die das Geld ausgeben, ohne es zu zählen, um ihr Wählerklientel zufriedenzustellen, und die ihre Haushaltsdefizite durch Gelddrucken finanzieren. Nach einer Weile führt das zur Erhöhung des allgemeinen Preisniveaus und wirkt wie eine zusätzliche Steuer, die alle Bürger belastet. Aufgrund der Globalisierung und des starken internationalen Wettbewerbs, den sie hervorruft, sehen wir kaum signifikante Inflation bei den Konsumgütern, sondern vielmehr im Bereich der Immobilienmärkte, wodurch die Kaufkraft der Haushalte aber ebenfalls stark beeinträchtigt wird.

Angesichts der monetären Krisen, die wir rund um dem Globus erleben, ist es wahrscheinlich, dass sich die Preissteigerungen auch auf Verbrauchsgüter ausweiten werden, insbesondere auf die Lebensmittelpreise und Energiekosten. Für viele Länder wäre das eine tragische Entwicklung – der Libanon sollte uns als Warnung dienen. Gold wird seinen Wert dagegen nie verlieren, da er in seit Jahrtausenden in den Herzen der Menschen verankert ist. Der Weg, die Preisschwankungen des gelben Metalls zu beenden ist simpel und wurde in der Geschichte bereits angewendet: Die Rückkehr zum Goldstandard. Das würde bedeuten, eine stabile Beziehung zwischen einer Währung und einer bestimmten Goldmenge herzustellen. Dies würde es den Regierungen allerdings unmöglich machen Haushaltsdefizite zu billigen und stattdessen eine strikte Balance zwischen Ausgaben und Einnahmen herstellen. Sie sie dafür bereit? Und sind wir, die Bürger, die die Regierungen ebenfalls zu oft um mehr Geld bitten, dafür bereit?

Originalquelle: BAB Magazine

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