Die unabhängige Presseagentur Ecofin hat das Video vom Auftritt des kenianischen Präsidenten William Ruto auf dem, Gipfel für einen neuen globalen Finanzpakt verteilt, welcher vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron organisiert wurde:
SEE IT: #Kenya President @WilliamsRuto lectures French President @EmmanuelMacron, IMF Managing Director Kristalina Georgieva (@KGeorgieva), and @JoeBiden's newly appointed @WorldBank President Ajay Banga. Tells them they are not listening. We do not want anything for free. We no… pic.twitter.com/MooPPMxqEn
— Simon Ateba (@simonateba) June 25, 2023
Der Auftritt ging in den afrikanischen sozialen Netzwerken viral, denn er offenbart eine neue Form der Kommunikation, die wir versuchen wollen zu analysieren.
Zunächst ist der Ton der Ansprache ein völlig neuer. William Ruto fährt den französischen Präsidenten regelrecht an, redet ihn mit seinem Vornamen Emmanuel an und macht auf diese Weise seinen Willen deutlich, eine ihm gleichgestellte Position einzunehmen. Eine solche Vertraulichkeit ist eine absolute Seltenheit bei einem öffentlichen Treffen mit einem afrikanischen Staatschef.
Kenia befindet sich in Bezug auf seinen Haushalt in einer sehr schwierigen Lage: Die Staatsschulden belaufen sich auf 67 Milliarden $. Damit steht Kenia auf Platz sieben der am stärksten verschuldeten Länder Afrikas, nach Ägypten (352 Milliarden $), Südafrika (268,8 Milliarden $), Nigeria (99,9 Milliarden $), Marokko (84,1 Milliarden $), Algerien (83 Milliarden $) und Angola (76 Milliarden $).
In Kenia bezahlen wir Jahr für Jahr etwa 10 Milliarden $, um unseren Schuldendienst zu leisten. Wenn wir dieses Geld stattdessen in die Entwicklung des Landes investierten, würde das die sofortige Umverteilung umfangreicher Mittel bedeuten und hätte eine enorme Wirkung. Es wäre ausreichend, wenn wir das Geld, dass wir der Weltbank, dem IWF und allen anderen Gläubigern zahlen müssten, in eine Kreditfazilität mit einer Laufzeit von 50 Jahren und einer Schonfrist von 20 Jahren umwandeln würden, erklärt William Ruto.
Die Refinanzierung der Staatschulden gestaltet sich sehr schwierig und der Zugang zu neuen Krediten wird immer komplizierter. Das Land erhält keinen Zugang mehr zu den Entwicklungsprogrammen, die von den westlichen Kreditgebern ins Leben gerufen wurden.
Angesichts dieser Situation hätte der kenianische Präsident eine viel zurückhaltendere Haltung annehmen müssen. Die Verhandlungen über die Schulden der afrikanischen Staaten beim IWF verlaufen traditionell sehr diskret und maßvoll. Was könnte William Ruto dazu bewegt haben, seine Haltung gegenüber der IWF-Direktorin und dem französischen Präsidenten zu ändern?
Weder der IWF noch die Weltbank. Wir wollen eine andere Organisation, in der wir genauso viel zu sagen haben wie ihr.“
William Ruto fordert eine neue globale Organisation für die Ausgabe von Schulden.
Warum unterscheidet sich dies von den Forderungen, die der Panafrikanismus schon vor 20 Jahren formuliert hat?
Während dieser Zeit hat sich die Schuldenquote der westlichen Staaten verändert. Vor 20 Jahren konnten die westlichen Länder und der IWF, den sie gegründet hatten, um die Finanzierung der Entwicklungsländer zu verwalten, ihre Politik auf eine gewisse Glaubwürdigkeit stützen. Die Lage war recht simpel: Auf einer Seite die reichen Gläubigerstaaten, auf der anderen die armen Schuldner.
Heute hat das Schuldenniveau der westlichen Staaten dafür gesorgt, dass sich der Blick der Entwicklungsländer auf das Schuldenproblem gewandelt hat.
Im Jahr 2023 stellt der Panafrikanismus fest, dass Staatsschulden unterschiedlich behandelt werden. Indem er eine Änderung der vom IWF gemachten Regeln fordert, hebt der kenianische Präsident diese Ungerechtigkeit hervor. Die reichen Länder erhalten bessere Kreditbedingungen. Die Geldpolitik der Zentralbanken ermöglichte über zehn Jahre lang den Zugang zu kostenlosem Geld, während sich die afrikanischen Staaten mit vom IWF bewilligten "Vorzugszinsen" abfinden mussten. Afrika war zu weit weg von der Druckerpresse, um von der Bereicherung des letzten Jahrzehnts zu profitieren.
Vor allem infolge der Gesundheitskrise hat sich die Lage grundlegend geändert. Die westlichen Staaten sahen sich mit einem Schock konfrontiert, den sie nur dank massiver staatlicher Neuverschuldung überwinden konnten.
Doch es waren nicht die internationalen Organisationen wie der IWF, die einschritten. Da der Dollar den Status der internationalen Reservewährung hat, sind die USA in der Lage, solche Erschütterungen abzufedern. Ein Vorteil, den die afrikanischen Staaten nicht haben. Sie müssen stattdessen weitere Schulden aufnehmen. Ihnen bleibt nur der IWF, um ihre Kreditbedingungen zu verhandeln, während den Zentralbanken der westlichen Staaten verschiedene finanzielle Werkzeuge (Swaps, besondere Finanzierungsfenster) zur Verfügung stehen, die ihnen beste Konditionen für den Zugang zu Krediten garantieren.
Seit Ende Juni haben die USA mehr als 700 Milliarden $ geliehen, damit ihre Regierung weiterhin funktionieren kann und sie die Rückzahlung fällig gewordener Schulden leisten können:
Das entspricht einer Neuverschuldung von 54 Milliarden $ am Tag!
Anders gesagt kann die US-Regierung pro Einwohner jeden Tag 162 $ an neuen Schulden aufnehmen, während das mittlere Einkommen eines Afrikaners nur 5 $ pro Tag beträgt… Und gleichzeitig zwingen die westlichen Staaten die verschuldeten Staaten Afrikas weiterhin, Refinanzierungslösungen mit dem IWF auszuhandeln, der seinerseits von den Ländern finanziert wird, die die Druckerpresse kontrollieren!
Solange die finanzielle Lage der westlichen Staaten achtbar war und respektiert wurde, war es möglich, die vom IWF diktierten Bedingungen zu verstehen und zu akzeptieren. Heute ist das kaum noch der Fall. Warum müssen die westlichen Staaten ihre bodenlosen Schulden nicht ebenso wie die afrikanischen Staaten mit dem IWF neu verhandeln? Warum ist es für die afrikanischen Länder schwieriger und teurer, ihre Schulden zu finanzieren, wo doch die westlichen Staaten mit Blick auf die Staatsschulden bei Weitem keine Musterschüler sind?
Frankreich ist in dieser Hinsicht mit Sicherheit kein Vorbild.
In einem Interview, das in El Pais veröffentlich wurde, weist der deutsche Wirtschaftsminister darauf hin, dass Frankreich niemals die seit 1980 notwendigen Reformen umgesetzt hat, um sein Schuldenproblem zu lösen. Eine solche Haltung ist im Rahmen einer Währungsunion untragbar. Frankreich verschuldet sich in dem Wissen, dass ihm an den Märkten immer eine Lösung für seinen Refinanzierungsbedarf zur Verfügung steht, ohne sich um einen ausgeglichenen Haushalt zu kümmern. Deutschland wirft Frankreich vor, sich hinsichtlich seiner Verschuldung nicht erwachsen genug zu benehmen.
Vor diesem Hintergrund beobachten wir nun die Vertraulichkeit, mit der sich William Ruto an Emmanuel Macron wendet. Der französische Präsident kann sich nicht mehr als europäischer „Erwachsener“ gegenüber seinem afrikanischen „Kind“ aufspielen.
Wie kann man ein System zur Schuldenfinanzierung am Laufen halten, wenn es mittlerweile von schlechten Schülern geleitet wird? Wie kann man den armen Ländern derart strenge Konditionen aufzwingen, wenn selbst die westlichen Staaten beschließen, ihre Schulden nicht abzubauen, sondern stattdessen bei jeder Wirtschaftskrise immer neue Schuldverschreibungen auszugeben?
Peter Schiff erklärt die Schuldenverlängerung der westlichen Staaten in einem Video sehr genau und vergleicht das Vorgehen mit einem pyramidalen Ponzi-System.
Er weist darauf hin, dass die jüngste Debatte um die Anhebung der Schuldenobergrenze in den USA das Vertrauen in den Dollar hätte erschüttern müssen. Peter Schiff erklärt, dass das US-Finanzministerium neue Schulden aufnehmen muss, um seine vorhandenen Schulden zurückzahlen zu können, was der Definition eines Ponzi-Systems entspricht. Seiner Ansicht nach kann diese Betrügerei durch die US-Regierung nicht von Bestand sein.
Peter Schiff merkt an, dass die Anhebung der Schuldengrenze auf der Annahme beruht, dass die Vereinigten Staaten immer ihre Rechnungen bezahlen würden. Doch in Wirklichkeit geschieht genau das Gegenteil. Die US-Regierung muss die Schuldenobergrenze anheben, weil sie niemals ihre Rechnungen bezahlt!
Es ist nur logisch, dass sich die Sichtweise der Entwicklungsländer in diesem Kontext wandelt. Und wir verstehen viel besser, warum die BRICS-Staaten ihre Initiativen in diesen Ländern forcieren.
Diese neue Währung werde die Basis eines internationalen Zahlungssystems bilden, das den Dollar und alle mit ihm assoziierten Systeme umgeht (SWIFT, internationale Organisationen wie den IWF, die BIZ etc.)
Jim Rickards geht davon aus, dass diese Währung an Gold gekoppelt sein wird. Dadurch würde der Wert der natürlichen Rohstoffe der Schwellenländer spürbar steigen.
Die neue Währung könnte zudem interessantere Finanzierungsmöglichkeiten für Entwicklungsländer bieten.
Die Verheißungen eines neuen Zahlungssystems, das eine Alternative zum klassischen System von Dollar und IWF bieten würde, zählt wohl zu den Gründen, aus denen afrikanische Länder wie Kenia gegenüber dem IWF und den westlichen Staaten einen anderen Ton anschlagen.
Es erklärt auch die jüngsten Goldkäufe durch die Zentralbanken dieser Länder: Physisches Gold ist das einzige Mittel, mit dem die Umstellung auf ein neues System ohne den Dollar gelingen kann.
Am 18. Dezember 1912 wurde der damals einflussreichste Financier und Bankier, John Pierpont Morgan, als Zeuge vor den US-Kongress gerufen.
Auszug aus seiner Aussage gegenüber Samuel Untermeyer, Chief Counsel des Subkomitees Pujo des Komitees für Banken- und Währungswesen, das damals gegründet worden war, um den Einfluss der Bankiers und Financiers der Wall Street auf die Währung und die Kredite in den USA zu untersuchen.
Mr Untermeyer: Ich möchte Ihnen einige Fragen zu dem Thema stellen, das Sie heute Morgen angesprochen haben, im Zusammenhang mit der Währungskontrolle. Die Kontrolle über die Kreditvergabe impliziert eine Kontrolle über die Währung, ist das korrekt?
Mr Morgan: Die Kontrolle über die Kredite? Nein.
Mr Untermyer: Kredite bilden doch aber die Basis des Bankenwesens, ist dem nicht so?
Mr Morgan: Nicht immer. Kredite sind ein Beweis für die Aktivität der Banken, aber sie sind selbst kein Geld. Gold ist Geld, und nichts anderes.
In einer Zeit, in der die weltweite Verschuldung dem Dreifachen des globalen BIP entspricht, und in Anbetracht der ungerechten Unterschiede beim Kreditzugang, scheinen die Entwicklungsländer den Unterschied zwischen Schulden und Geld plötzlich verstanden zu haben.
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