Die Geschichte nimmt ihren Lauf. In dieser Zeit des Wandels, in der immer neue Bruchstellen zu Tage treten, wird die Hegemonie der USA in Geld- und Währungsangelegenheiten zunehmend geschwächt. Die Meldungen zur fortschreitenden Entdollarisierung reihen sich aneinander und senden ein starkes Signal auf dem internationalen Parkett.
Die in Dollar gehaltenen Devisenreserven der Zentralbanken sinken heute deutlicher denn je, ebenso wie der Anteil der US-Währung am internationalen Handel. Der Rohstoffhandel, und insbesondere der Rohölmarkt, ist keine Ausnahme. Zahlreiche Länder, die sich nicht länger an der amerikanischen Unipolarität ausrichten, versuchen zunehmend in anderen Währungen zu handeln. So beispielsweise Saudi-Arabien, der Ursprung des Petrodollars, dessen Handel in Yuan sich trotz der starken, historischen Beziehung des Landes zu den USA vervielfacht.
Wenngleich sich eine globale Bewegung herausgebildet hat, ist der Übergang von der Vorherrschaft einer Währung zu einer anderen ein sehr langfristiger Prozess. Er impliziert neue geopolitische Allianzen, Änderungen der Geld- und Haushaltspolitik, eine Neuorientierung im Investitionsbereich… Die Grundvoraussetzungen sind gegeben, doch zum heutigen Tage können weder der Euro noch der Yen – und noch viel weniger der Yuan – die Nachfolge des Dollars antreten. Während der Rohölhandel in Dollar abnimmt, und mit ihm auch die Dominanz der amerikanischen Währung, zeigt sich Gold – wieder einmal – als sicherer Hafen.
Die Geschichte des Petrodollars
Ein historischer Rückblick ist angebracht. Die Geschichte des Petrodollars beginnt am Ende des Zweiten Weltkriegs. Nach der Dominanz des britischen Pfunds können die Vereinigten Staaten als größte Militärmacht den Dollar bei der Bretton-Woods-Konferenz 1944 als Reservewährung per excellence durchsetzen. In einer von wirtschaftlicher und finanzieller Ungewissheit geprägten Zeit erleichtert dieses System vorübergehend den internationalen Handel, schafft aber vor allem auch das Fundament für den Aufstieg der USA zur Supermacht. Jahrzehntelang ist allein der Dollar in Gold umtauschbar, bis 1971. Angesichts eines enormen Finanzierungsbedarfs und der Notwendigkeit, mehr Dollars auszugeben, um die amerikanische Vorherrschaft zu sichern, setzt Richard Nixon dieser Umtauschbarkeit schließlich ein Ende und führt frei schwankende Wechselkurse ein. Damit brach für die Welt eine neue Ära an, die weder wirklich verstanden noch erklärt wird, und in der das Geld vom wahren Wert der Güter und Dienstleistungen losgelöst ist.
Als das System akzeptiert war, versuchten die Vereinigten Staaten den Dollar an etwas anderes zu koppeln als Gold, um das Vertrauen zu bewahren. Im Zuge des massiven Wertverlusts der amerikanischen Währung nach 1971 und den Gewinnausfällen der Staaten, die Dollar hielten, kam es zum ersten Ölpreisschock. 1973 beschlossen die Länder der OPEC ein Ölembargo, offiziell als Antwort auf die amerikanische Unterstützung Israels im Jom-Kippur-Krieg. Die Bedeutung von Rohöl als eine der Grundlagen der Wirtschaft wurde damals vor aller Augen zur unbestreitbaren Realität. Abgesehen davon, dass dieser Schock die Energiepreise explodieren ließ und zur Neuausrichtung geopolitischer Bündnisse führte, gebar er auch die zentrale Idee, dass Wirtschaft nichts anderes sei als umgewandelte Energie.
Kaum ein Jahr später unterzeichnen die USA, vertreten durch Außenminister Henry Kissinger, und Saudi-Arabien, vertreten durch Prinz Fahd Ibn Abd al-Aziz, ein maßgebliches Abkommen. Die Geschichte erinnert sich daran, dass dieses die internationale Lage in einer Zeit stabilisierte, in der die Zapfsäulen leer blieben und die Arbeitslosigkeit zunahm. Es diente jedoch in erster Linie zur Stärkung der Partnerschaft, die die beiden Länder 1945 an Bord des US-Kreuzers Quincy beschlossen hatten. Von diesem Zeitpunkt an sollte saudisches Öl hauptsächlich in Dollar gehandelt und die so erzielten Gewinne in US-Staatsanleihen investiert werden. Als Gegenleistung garantierten die Vereinigten Staaten dem Land militärischen Schutz und wirtschaftliche Unterstützung.
Durch die Verankerung des Dollars im Rohölhandel schuf dieses System eine kontinuierliche Nachfrage für die amerikanische Währung. Die anderen ölfördernden Länder und anschließend fast die gesamte restliche Welt übernahmen das System. Die Notenbanken begannen folglich Reserven in US-Dollar anzulegen und an der Börse wurden die meisten Rohstoffe anschließend in Dollar gehandelt. Für die USA war dies ein historischer Sieg, dank dem das „exorbitante Privileg“ der amerikanischen Währung nach der Aufgabe des Goldstandards bewahrt werden konnte. Unter diesen Voraussetzungen konnte das Land seinen Leitzins niedrig halten und gleichzeitig sein Haushaltsdefizit und seine Schulden zur Unterstützung der Wirtschaft vergrößern, ohne dass die Währung abwertete. Dies ermöglichte es den USA, ihre Stellung als Finanz-Supermacht endgültig zu festigen. Zudem wurde der Dollar auf diese Weise zur einzigen Referenzwährung der Welt, so wie die Währungen der hegemonialen Länder, die den USA vorausgegangen waren: Das Vereinigte Königreich mit dem britischen Pfund im 19. Jahrhundert, die Niederlande mit dem niederländischen Gulden im 18. Jahrhundert etc.
Das Ende des Petrodollars?
Solange der Dollar an die Rohstoffe gekoppelt ist, kann seine Hegemonie auf unbestimmte Dauer bestehen bleiben, da der Besitz von Dollar unabdingbar für den Kauf notwendiger Rohstoffe ist. Wenn er jedoch nicht länger an einen realen Wert geknüpft ist, nimmt seine Supermacht ab – vorausgesetzt, die Vereinigten Staaten verzichten auf den Einsatz ihrer Militärmacht, um ihren Einfluss zu erhalten. Die USA verfügen über 700 Militärbasen im Ausland, verteilt über 80 Staaten…
Dieses Szenario war jahrzehntelang im Zusammenhang mit der amerikanischen Involvierung in geopolitische Konflikte zu beobachten. Und auch heute angesichts der Bestrebungen der Länder des sogenannten „globalen Südens“, die Schaffung einer multipolaren Welt voranzutreiben.
Die Ära, die nun beginnt, ist jedoch völlig neu. Infolge umfangreicher Sanktionen der USA, vor allem gegenüber dem Iran und Russland, sowie des Missbrauchs der Extraterritorialität des amerikanischen Rechts in zahlreichen anderen Staaten, reihen sich die Vorzeichen aneinander. Die Machtverhältnisse beginnen zu kippen. Die Schaffung der BRICS hat trotz der internen Widersprüche der beteiligten Länder die Grundlage für einen echten Wandel gelegt. Zwar werden noch immer 80 % des weltweiten Rohstoffhandels in Dollar abgewickelt, doch die Mitglieder dieser Staatenvereinigung haben begonnen, ihre Bodenschätze in anderen Währungen als dem Dollar frei zu handeln und die „Entdollarisierung“ als tragfähiges Konzept zur Sprache zu bringen. Diese Tendenz ist umso beachtlicher, da sie die Kontrolle über umfangreiche strategische Ressourcen, einschließlich Rohöl, haben.
China spielt in diesem Zusammenhang eine zentrale Rolle. 2018 hat das Land Terminkontrakte für Rohöl eingeführt, die in Yuan gehandelt werden und an Gold angelehnt sind. Diese Initiative führte dazu, dass die USA Sanktionen erließen, insbesondere gegen das Ölunternehmen Zhuhai Zhenrong, nachdem dieses mit dem Iran Transaktionen in Yuan durchgeführt hatte. Angesichts der innenpolitischen Probleme des Landes, u. a. der ausufernden Verschuldung, der Blase am Immobilienmarkt und der demografischen Alterung, verfügt China allerdings weder kurz- noch langfristig über die Kapazitäten, den Dollar zu entthronen. Es kann jedoch den Trend zur Entdollarisierung der Welt beschleunigen. Russland, der Iran und Venezuela (die zusammen 40 % der Erdölvorkommen besitzen) verwenden bereits heute den Euro oder den Yuan für ihren Ölhandel.
In dieser Hinsicht ist Russland ein treuer Partner der Regierung von Xi Jinping. Es besteht kein Zweifel mehr, dass sich Russland vollständig vom Dollar gelöst hat, und zwar nicht nur aus eigenem Antrieb (wir erinnern daran, dass der Anteil der in Dollar abgewickelten Transaktionen beim Verkauf russischen Erdöls an die BRICS-Staaten innerhalb eines Jahrzehnts von 95 % im Jahr 2013 auf weniger als 10 % im Jahr 2022 gesunken ist), sondern auch aufgrund amerikanischer und europäischer Sanktionen wie dem Einfrieren der Vermögenswerte der russischen Zentralbank. Beim letzten Gipfeltreffen zwischen Russland und China im April kam die Verwendung des Yuan zur Bezahlung von Öllieferungen wiederholt zur Sprache. Der Yuan ist zudem die bevorzugte Währung für den Handel zwischen den beiden Staaten, vor dem Euro. Die Partnerschaft zwischen der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt und dem größten Exporteur von Energierohstoffen ist auch in dieser Hinsicht für viele andere Staaten ein starkes Signal. Insbesondere Indien hat dies genutzt, um sich dem Trend anzuschließen und einen Teil seiner Ölimporte in der Landeswährung oder in Yuan zu bezahlen (und manchmal in Dirham, dessen Wert an den US-Dollar gekoppelt ist).
Saudi-Arabien, der Ursprung des Petrodollars, treibt trotz seiner engen Beziehungen zu den USA ebenfalls zunehmend Handel in anderen Währungen. Das Land verhandelt insbesondere mit China über die Abwicklung von Transaktionen in Yuan. Allen Gerüchten zum Trotz handelt es sich dabei keineswegs um einen Bruch zwischen den Vereinigten Staaten und der Golfmonarchie, sondern um eine strategische Positionierung von Mohammed bin Salman. In den letzten Monaten hat das saudische Unternehmen ARAMCO, einer der größten Ölkonzerne weltweit, die in Yuan abgewickelten Transaktionen mit China kontinuierlich gesteigert. Das Land versucht in erster Linie seine Rolle auf der internationalen Bühne zu stärken, im Einklang mit seiner internen Umformung und seinem Programm „Vision 2030“. Dies beinhaltet neue Bündnisse und ein Loslösen von der US-Politik.
Europa hat aufgrund seines Bündnisses mit den USA und seiner Abhängigkeit vom amerikanischen System seinerseits nicht den Anspruch, den Petrodollar zu ersetzen. Unter den Regionen und Staaten der Welt, die die größte Menge an Dollars besitzen, ist erwartungsgemäß auch Europa zu finden, aufgrund seines Bankensystems. Die Finanzkrise von 2008 und auch die Bankenkrise von 2023 (die zum Fall der Großbank Crédit Suisse führte) haben anhand der großzügigen Verteilung von Dollars durch die US-Notenbank Federal Reserve gezeigt, dass die europäischen Banken im Krisenfall US-Währung benötigen. Seitdem ist auch der Euro nicht mehr als glaubwürdige Alternative zum Petrodollar anzusehen – umso mehr, da die Mitgliedsstaaten der Gemeinschaftswährung in punkto Rohstoffversorgung übermäßig vom Ausland abhängig sind.
Folgen für die amerikanische und die Weltwirtschaft
In den Vereinigten Staaten wie auch anderswo wird diese langfristige Entwicklung sicherlich beträchtliche finanzielle Auswirkungen haben. Die Verwendung anderer Währungen im Rohstoffhandel führt zu einem Rückgang der Nachfrage nach US-Dollars. Sie bewirkt zudem langfristig höhere Zinsen in den USA, da die Fed den Dollar weiterhin attraktiv machen muss. Das tut sie übrigens bereits, im Unterschied zur Politik der EZB und der abweichenden Zinsentwicklung in Europa.
Über kurz oder lang wird diese Situation die Privatverschuldung, aber vor allem auch die Staatsschulden der USA untragbar machen. Letztere werden aktuell auf mehr als 34,5 Billionen Dollar beziffert und zwingen die Regierung, mehr Geld für Zinszahlungen als für den militärisch-industriellen Komplex des Landes auszugeben…
Die erhöhten Zinsen schwächen zudem den amerikanischen Anleihemarkt. Dieser ist gemessen am Handelsvolumen allerdings der mit Abstand größte Markt der Welt. Dies wird Auswirkungen auf die amerikanischen Regionalbanken mit hohem Exposure gegenüber US-Treasuries haben, sich aber auch im Wertverfall der Staatsanleihen äußern, die von Investoren rund um den Globus gehalten werden. Heute besitzen ausländische Investoren, darunter auch die Zentralbanken, staatliche US-Schuldtitel im Wert von fast 8 Billionen Dollar. Selbst wenn alles andere unverändert bleibt, sind Anpassungen der globalen Finanzmärkte zu erwarten, die die Wechselkurse, die Rohstoffpreise und die Dynamik des internationalen Handels betreffen werden.
Gold, ein historisches Metall als Alternativlösung?
Da Gold nicht mehr als Zahlungsmittel akzeptiert wird, kann es den Petrodollar nicht ersetzen. Die historische Entwicklung, die nun begonnen hat, wird jedoch aller Wahrscheinlichkeit nach eine Katalysatorwirkung haben, welche die Goldnachfrage steigen lässt.
So wie Gold seine historische Beziehung zum US-Dollar gekappt hat, entwickelt sich mittlerweile auch der Ölpreis relativ unabhängig von der US-Währung. Früher gab der Ölpreis tendenziell immer dann nach, wenn der Dollar aufwertete. Doch heute ist diese Bindung weltweit verschwunden, zum Vorteil der Länder, die sich vom Dollar lossagen. Diese nutzen nicht nur vermehrt andere Währungen, um ihre Rechnungen zu begleichen, sondern kaufen nun auch Rohöl zu Preisen, die nicht von den Wertschwankungen der US-Währung abhängig sind.
Wenngleich die unmittelbaren Folgen für die Hegemonie des Dollars also noch nicht völlig klar sind, schafft dieses Szenario doch die Voraussetzungen dafür, dass eine andere Währung in Zukunft das Zepter übernehmen kann. In Anbetracht der Tatsache, dass heute kein Land tatsächlich bereit ist, sich gegenüber den USA durchzusetzen, und das auch morgen nicht sein wird, präsentiert sich Gold dank seiner Unabhängigkeit als sicherer Hafen per excellence.
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