Mit jedem Tag bröckelt die Stellung der Vereinigten Staaten als Supermacht ein wenig mehr. Dieser seit mehreren Jahrzehnten zu beobachtende Trend der zunehmenden Schwächung gelangt heute an einen wichtigen Wendepunkt. Die Aggressivität, mit der Trump Politik macht, hat der ganzen Welt die Augen geöffnet. Und die Finanzindikatoren täuschen nicht. Während in den Vereinigten Staaten, wie in den meisten Industrieländern, das Haushaltsdefizit und die Staatsverschuldung steigen, verzeichnet der Goldpreis neue Rekordwerte. In dieser Zeit des Umbruchs, die wir derzeit erleben, nimmt das gelbe Metall wieder seinen historischen Platz im Zentrum des internationalen Finanzsystems ein. Zu diesen Entwicklungen befragen wir heute Luke Gromen, einen der renommiertesten Experten für Anleihe- und Geldmärkte. Nach mehr als fünfzehn Jahren als Leiter für Finanzmarktanalyse gründete er 2014 das unabhängige Forschungsunternehmen Forest for the Trees (FFTT, LLC). In diesem exklusiven Interview erklärt er, wie er die aktuellen Lage Im Zusammenhang mit der US-Staatsverschuldung, der Rolle des Dollars und der Fiatwährungen sowie der Goldhausse einschätzt.
Julien Chevalier: Das amerikanische Imperium ist im Niedergang begriffen und der Dollar verliert an Attraktivität. Seit einigen Wochen halten die Zentralbanken weltweit mehr Gold in ihren Reserven als US-Staatsanleihen. Wie erklären Sie sich diesen bedeutenden Wandel?
Luke Gromen: Ich glaube, dass die Zentralbanken aufgrund von drei wichtigen langfristigen Trends heute größere Goldreserven halten. Erstens beobachten wir im Rohstoffhandel auf Initiative der BRICS-Staaten einen allmählichen Übergang zu Netto-Zahlungsabwicklungen in Gold, wodurch Gold als neutraler Reservewert an Bedeutung gewinnt. Zweitens haben die von den Vereinigten Staaten verhängten Sanktionen, die Extraterritorialität des US-Rechts und der Missbrauch des Dollarsystems für geopolitische Zwecke – eindrucksvoll veranschaulicht durch das Einfrieren der russischen Devisenreserven – in vielen Ländern Bedenken hinsichtlich einer zu starken Abhängigkeit von der US-Währung ausgelöst. Drittens wächst das Bewusstsein für die mathematische Tatsache, dass die USA als Emittent der globalen Reservewährung ihre Schuldenlast ohne klar negative Realzinsen nicht mehr tragen können. Diese strukturelle Zwangslage macht Gold als Reserve-Asset attraktiver als US-Treasuries oder andere Staatsanleihen... All diese Gründe erklären den von Ihnen angesprochenen Wandel.
Julien Chevalier: Die Zentralbanken der BRICS-Staaten und der Schwellenländer sind die wichtigsten Goldkäufer. Seit 1945 und insbesondere seit dem Ende des Goldstandards 1971 leben wir in einem von Schulden dominierten Finanzsystem, in dem der Dollar die Referenzwährung bleibt. Halten Sie ein neues, auf Gold basierendes internationales Finanzsystem unter der Führung der BRICS-Staaten für denkbar?
Luke Gromen: Ich denke, dass ein solches System bereits im Entstehen ist, wie die weltweite Tendenz der Zentralbanken zum Kauf von Goldreserven zeigt.
Julien Chevalier: Sie sagen oft, dass den Vereinigten Staaten aufgrund ihrer Staatsverschuldung keine „sanfte Landung” mehr gelingen kann, bei der die Geldpolitik der US-Wirtschaft eine Krise ersparen würde. Welche Faktoren könnten Ihrer Meinung nach eine Vertrauenskrise in den Dollar und, allgemeiner gesagt, in das internationale Finanzsystem noch hinauszögern?
Luke Gromen: Die Tatsache, dass Zentralbanken Gold gegenüber US-Staatsanleihen bevorzugen, ist meiner Meinung nach der eindeutigste Ausdruck des schwindenden Vertrauens in den Dollar und das internationale System insgesamt – oder vielleicht genauer gesagt, einer Fragmentierung desselben. Angesichts der demografischen Trends, des rasanten technologischen Fortschritts im Bereich der künstlichen Intelligenz und der hohen Verschuldung scheint mir eine Krise zum jetzigen Zeitpunkt kaum zu vermeiden. Meiner Meinung nach stellt sich lediglich die Frage, ob diese Krise inflationär oder deflationär sein wird. In meinem Basisszenario gehe ich von einer Inflationskrise aus.
Julien Chevalier: Seit Beginn der Pandemie hat die Inflation stark zugenommen und hat teilweise zweistellige Werte erreicht. Seit Jahrzehnten steigen die Preise und die Währungen verlieren an Wert. Der französische Philosoph Voltaire sagte: „Eine Währung, die ausschließlich auf dem Vertrauen in die Regierung basiert, die sie ausgibt, kehrt immer zu ihrem inneren Wert zurück, nämlich Null.“ Wie sehen Sie die Wertentwicklung der wichtigsten heute verwendeten Währungen?
Luke Gromen: Meiner Meinung nach entwickeln sich die großen Fiatwährungen allmählich in Richtung der Aussage von Voltaire, wenn man sie mit solideren Vermögenswerten wie Gold und Bitcoin vergleicht.
Julien Chevalier: Donald Trump hat beschlossen, keine Zölle auf Gold zu erheben, obwohl er Zölle auf andere Rohstoffe, Energie und alle anderen Arten von Produkten in Erwägung zieht. Warum bleibt Gold Ihrer Meinung nach verschont?
Luke Gromen: Gold wurde aus gutem Grund verschont. Hätte Trump beschlossen, Zölle auf Gold zu erheben, hätte dies automatisch zu einer Abwertung des Dollars gegenüber Gold in Höhe des genauen Zollsatzes geführt. Da der Dollar seit Jahrzehnten kontinuierlich an Wert verliert, insbesondere gegenüber Gold, hätte dies erhebliche Konsequenzen gehabt. Obwohl Trump erklärt hat, einen schwächeren Dollar anzustreben, hat er eine solche Maßnahme möglicherweise als zu drastisches Mittel zur Erreichung dieses Ziels angesehen, oder es gibt noch andere Regeln oder Implikationen, die mir nicht bekannt sind.
Julien Chevalier: Der Autoritarismus nimmt in demokratischen Gesellschaften zu, insbesondere in den Vereinigten Staaten. Auf finanzieller Ebene greift Trump die Unabhängigkeit der Fed an, während ein Gesetz diskutiert wird, das es bestimmten Stablecoins erlauben würde, die US-Staatsverschuldung zu finanzieren. Was sind Ihrer Meinung nach derzeit die größten Risiken für die Ersparnisse von Anlegern?
Luke Gromen: Es gibt heute mehrere große Risiken, auf die Anleger achten müssen. Das erste ist natürlich die finanzielle Repression, die Sie angesprochen haben, dann das Phänomen der Verstaatlichung, das wir beobachten, aber auch die übermäßige Verschuldung im Finanzsystem sowie wichtige regulatorische und geopolitische Veränderungen, die die Rahmenbedingungen für alle Investoren und Sparer plötzlich verändern könnten. Diese Gefahren muss man ernst nehmen.
Julien Chevalier: Digitale Zentralbankwährungen (CBDC) werden als Instrument der Währungshoheit präsentiert, und ihre Einführung beschleunigt sich mit einer angestrebten Integration bis 2030. Stellen sie Ihrer Meinung nach eine Bedrohung für Gold dar?
Luke Gromen: Meiner Meinung nach sind CBDCs eigentlich das Gegenteil von Währungshoheit, da sie einer zentralisierten Kontrolle aller Bürger und Sparer durch die Zentralbank gleichkämen.
Wenn sie eingesetzt würden, um Verbraucher davon abzuhalten, Vermögenswerte wie Gold zu kaufen, hätte dies meiner Meinung nach weitreichende politische Auswirkungen, die die Märkte destabilisieren könnten, was paradoxerweise positiv für Gold wäre.
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