Die Stimmung der westlichen Anleger gegenüber Gold ist an einem Tiefpunkt angelangt, während wir in den asiatischen Ländern seit zwei Jahren buchstäblich einen Run auf Gold erleben.
Die ETF-Bestände verzeichnen vor allem in Europa anhaltende Abflüsse, während Indien und China immer mehr Gold kaufen.
Warum erwerben Chinesen und Inder physisches Gold, während die Finanzinstitute in den westlichen Ländern ihre Investitionen in Edelmetalle reduzieren? Was sind die Gründe für dieses gegensätzliche Verhalten?
Einer der Hauptgründe für das Desinteresse an Gold in der westlichen Hemisphäre scheint der Run auf die Kryptowährungen zu sein. Defensive Anlagen, die sich traditionell auf das goldene Metall konzentrierten, fließen nun zunehmend in Bitcoin und andere Kryptowährungen.
Dieses Phänomen betrifft vor allem jüngere Anleger, insbesondere die Generation Z, für die traditionelle Anlageformen wie aktives Asset-Management und Hedgefonds der Vergangenheit angehören. Sie bevorzugen heute Strategien mit hohem Potenzial und asymmetrischem Risiko (begrenzter Verlust, exponentielle Gewinne).
Diese jungen Investoren lehnen alte Standardanlagen wie Öl, Rohstoffe und zeitgenössische Kunst aus den Jahren 1990-2000 ab. Sie schätzen Memes und die digitale Kultur.
Innerhalb weniger Tage stieg beispielsweise die Kapitalisierung von Fartcoin, auf Deutsch „Furzmünze“, auf 800 Millionen US-Dollar. Diese Kryptowährung basiert auf dem Slogan „Heiße Luft steigt nach oben“ und suggeriert damit, dass der Fartcoin zum Höhenflug bestimmt ist.
Die Tatsache, dass ein Memecoin, der aus einem einfachen, idiotischen Scherz entstanden ist, höher bewertet ist als mehr als 40 % der börsennotierten Unternehmen in den USA, zeigt das Ausmaß des Phänomens. In den Industrieländern nutzt die Generation Z die finanzielle und monetäre Freigiebigkeit sowie die reichlich vorhandene Liquidität, um an unregulierten Märkten zu spekulieren. Währenddessen flüchten Chinesen und Inder massiv in physisches Gold, um sich gegen die Abwertung der Fiatwährungen zu schützen.
Zwischen 2020 und 2022 wurde die Liquidität in den USA auf unvorsichtige Weise erhöht. Die Fed hat sich seitdem geweigert, das überschüssige Kapital wieder aus dem System zu entfernen. Infolgedessen fließt diese Liquidität in Aktien und Kryptowährungen und treibt deren Kurse in die Höhe, ganz unabhängig von den Fundamentaldaten. Wir befinden uns nun in der Phase der Euphorie, die für steil steigende Märkte typisch ist, und überschüssige Liquidität ist auch der Grund für die Entstehung von Memecoins dieser Art.
Die Fed setzt ihre akkommodierende Geldpolitik fort, obwohl die finanziellen Bedingungen in den Vereinigten Staaten bereits locker und günstig sind und im Gegenteil eine restriktivere Politik erfordern würden.
Wie soll man dieses Panorama interpretieren, wenn nicht als Scheitern der seit 2008 verfolgten Geldpolitik auf ganzer Linie?
Aus der Sicht der Generation Z hat die Fed nur eines erreicht: Sie hat die Boomer künstlich bereichert, indem sie die Preise für Vermögenswerte durch ihre Nullzinspolitik in die Höhe getrieben hat. Dieser illusorische Wohlstandszuwachs erfolgte auf Kosten der jungen Menschen. Nie zuvor waren die 15- bis 35-Jährigen gegenüber den älteren Generationen so stark benachteiligt - ein Trend, der in allen westlichen Ländern zu beobachten ist. Besonders deutlich wird dieses Phänomen in Staaten mit einem ausgeprägten demografischen Ungleichgewicht: Die jungen Menschen, die immer ärmer werden und immer weniger werden, müssen einen Lebensstandard stützen, der künstlich durch die Inflation aufrechterhalten wird, welche wiederum durch die Ausgaben der Babyboomer angeheizt wird. Die junge Generation muss heute die Rechnung für diese Geldpolitik tragen.
Wie soll man den Run der Generation Z auf Fartcoin interpretieren, wenn nicht als ausgestreckten Mittelfinger gegen diese Geldpolitik, als eine zynische und provokative Antwort auf ein System, das ihre Kaufkraft zugunsten von aufgeblähten Vermögenswerten für die Boomer geopfert hat?
Dieses Verhalten erinnert immer mehr an die Lage in der Weimarer Republik, in der es nur den Klügsten gelingt, sich mit gewagten Finanzmanövern aus der Affäre zu ziehen, während das Fiatgeld nach und nach entwertet wird.
Dieser Wertverlust setzt sich aktuell weiter fort: Die jüngsten Daten des Erzeugerpreisindex (PPI) bestätigen, dass die Inflation in den USA wieder anzieht.
Der erneute Anstieg des PPI folgt einem ähnlichen Rhythmus wie beim ersten Inflationsschock. Die Ruhepause, die wir seit Ende 2022 beobachtet hatten, scheint vorüber zu sein:
In einem tweet vom Oktober 2023 behauptete Paul Krugman, dass die Inflation besiegt sei und illustrierte damit auf perfekte Weise die Diskrepanz zwischen der Sichtweise zahlreicher Ökonomen und der Realität.
The war on inflation is over. We won, at very little cost pic.twitter.com/opumf3nEvL
— Paul Krugman (@paulkrugman) October 12, 2023
Zur Erinnerung: Der Erzeugerpreisindex ist ein Schlüsselindikator für die Inflation, da er die Entwicklung der von den Produzenten gezahlten Preise misst. Diese bestimmen anschließend die von den Endkonsumenten gezahlten Preise. Ein Anstieg des Erzeugerpreisindex führt daher in den darauffolgenden Monaten logischerweise zum Anstieg des Verbraucherpreisindex.
Die Fed hat kürzlich ihre Inflationsprognosen für die kommenden Jahre revidiert, wie aus ihrem jüngsten Statement vom Mittwoch hervorgeht:
Mit anderen Worten: Die Fed hat gerade zugegeben, dass eine Inflationsrate von 2 % nicht mehr zu ihren Hauptzielen gehört.
Es war zu erwarten gewesen, dass die US-Notenbank den Leitzins um 0,25 % senken würde, aber die Aufgabe des historischen Inflationsziels ist eine schwere Niederlage.
Die Monetisierung der Schulden mittels Inflation kann also ungebremst weitergehen.
Und man fragt sich, warum sich die Chinesen und Inder in physisches Gold flüchten…
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