Im Gegensatz zu den Vorhersagen vieler Ökonomen hat in der Eurozone schließlich eine Rezession eingesetzt. Der Anstieg der Zinsen und die Inflation belasten die Finanzen der privaten Haushalte. Der Konsum bricht ein. Die Nachfrage nach neuen Krediten ist stark rückläufig, insbesondere in Frankreich. Der Wirtschaftszyklus nähert sich seinem Ende. Wie schon so oft, wird wohl auch diese Phase des schwachen Wachstums mehrere Jahre lang andauern.

Gemäß den revidierten Daten von Eurostat ist die Wirtschaft in der Eurozone im letzten Quartal 2022 um 0,1 % geschrumpft, und ebenso im ersten Quartal 2023. Nach Definition der internationalen Institutionen handelt es sich folglich um eine Rezession: einen Rückgang des BIP in mindestens zwei aufeinanderfolgenden Quartalen. Der wirtschaftliche Abschwung beruht in erster Linie auf den schlechten Zahlen aus Deutschland. Im Laufe der letzten beiden Quartale hat Deutschland einen Rückgang des BIP um 0,8 % verbucht. Die Inflationsrate war im letzten Jahr auf über 10 % gestiegen und liegt auch aktuell noch bei mehr als 6 %.

Deutschland schadet Europa

Während der Glanzzeit der Globalisierung, als Energie nicht teuer und importierte Produkte billig waren, hatte das deutsche Wettbewerbsmodell großen Erfolg.  Doch wenn sich die Weltwirtschaft abkühlt und neu strukturiert, und wenn geopolitische Spannungen die mächtigsten Staaten der Welt direkt oder indirekt erfassen, treten die Schwachstellen des deutschen Modells wieder zutage. Das Wirtschaftswunder nach dem Zweiten Weltkrieg ist endgültig vorüber. Seit der Gesundheitskrise bekommt die Regierung von Olaf Scholz die Folgen der historischen Abhängigkeit des Landes von ausländischen Märkten, und insbesondere von Russland und China, deutlich zu spüren.

Die deutsche Wirtschaft ist sehr stark industriell geprägt (die Industrie steuert mehr als 20 % zur Wertschöpfung bei) und besonders internationalisiert (die Exporte entsprechen 44 % des BIP). Angesichts der steigenden Energiepreise auf der einen und dem konjunkturellen Abschwung auf der anderen Seite strauchelt die Industrie nun.

Im Laufe der letzten drei Jahre mussten viele Werke ihre Pforten schließen und zahlreiche Unternehmen meldeten Insolvenz an. Die von den USA initiierte Flut an staatlichen Subventionen beschleunigte anschließend die Standortverlagerungen. Zudem macht die Entwicklung des chinesischen Automarktes, vor allem auf dem Gebiet E-Autos, den deutschen Automobilherstellern Konkurrenz – der Achillesferse der deutschen Industrie. China exportiert mittlerweile mehr Autos als Deutschland und die zunehmende Aneignung von Produktionskapazitäten für kritische Rohstoffe durch das Reich der Mitte könnte den Abstand weiter vergrößern.

Diese Schwächung hat nicht nur nationale Folgen. Wenn der Motor Europas eine Panne hat, leiden alle europäischen Staaten darunter. Nicht nur, weil die Wirtschaftsaktivität Deutschlands die anderer EU-Länder beeinflusst, sondern auch, weil das Land den anderen europäischen Staaten seit mehreren Jahrzehnten sein Modell aufdrückt – sowohl in der Wirtschaft durch das Propagieren von Haushaltsdisziplin und eines auf Export ausgerichteten Modells als auch mit Blick auf die Energie-, Auslands-, Migrationspolitik etc. Der deutsche Standpunkt dominierte in allen europäischen Entscheidungen. Und die überwältigende Mehrheit der europäischen Staaten litt unter den Folgen dieser Einstellung, die von den großen Gewinnern Europas, den wenigen Ländern des europäischen Nordens, geteilt wird.

Die EZB setzt ihre geldpolitische Straffung fort

Die Wirtschaft Europas kühlt sich unter dem Einfluss der Geldpolitik der EZB ab. Seit mittlerweile fast einem Jahr hebt die Frankfurter Institution ihre Zinsen in dem Versuch an, der historisch erhöhten Inflation ein Ende zu setzen. Da Letztere im Wesentlichen geldpolitisch bedingt ist und mit der konstanten Erhöhung der Geldmenge 2020 und 2021 in Zusammenhang steht, während die Produktion infolge der Gesundheitskrise zum Erliegen kam, zeigt diese Strategie Wirkung. Nach einem Hoch von 10,6 % im letzten Oktober ging die Inflationsrate schrittweise zurück und liegt heute bei etwa 6 %. Das Ziel von 2 %, das als zentrales Ziel im Mandat der Europäischen Zentralbank festgeschrieben wurde, ist allerdings noch fern. Und die Lieferkettenprobleme (insbesondere durch die langanhaltenden Beschränkungen in China), die Spekulation an den Finanzmärkten, der Krieg in der Ukraine, der die europäische Wirtschaft belastet, sowie die Gewinnmargen der Unternehmen stellen die Zentralbank vor neue Herausforderungen.

Während sich die Eurozone also in einer Rezession befindet, hat die EZB ihre Zinsen kürzlich erneut um 0,25 % erhöht, wodurch der Refinanzierungssatz auf 4 % steigt, ein Rekordniveau. Sie hat für die kommenden Monate sogar weitere Anhebungen angekündigt, im Gegensatz zur US-Notenbank Fed, die es sich erlaubt, den Leitzins unverändert zu lassen. Die EZB ist gezwungen, mit der geldpolitischen Straffung fortzufahren, um die fest verwurzelte Inflation zu bekämpfen und den Euro zu stützen, der gegenüber dem Dollar noch immer sehr schwach ist und somit eine Quelle importierter Inflation darstellt.

Doch diese rasche und starke Anhebung der Zinssätze kann von der Wirtschaft nur schwer absorbiert werden. Nicht nur die Nachfrage nach neuen Krediten bricht ein, vor allem im Immobiliensektor (die Nachfrage ist geringer als 2007), sondern auch die Produktion und die Investitionen geben nach, was langfristig zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit führen sollte.

Diese Politik verstärkt zudem die Kluft zwischen der Realwirtschaft und der Finanzwelt.

Bislang hat die EZB ihre Bilanz nur langsam und vorsichtig reduziert, während sie gleichzeitig historische Zinserhöhungen durchführt. Im Gegensatz zu den privaten Haushalten und Unternehmen profitieren Banken und Finanzinstitute, wenn die Liquidität an Zentralbankgeld aufrechterhalten wird, trotz der steigenden Kreditkosten (dies hat auch die letzte Bankenkrise im März bewiesen). Es ist daher kaum verwunderlich, dass der Aufwärtstrend an den Märkten Bestand hat… Umso mehr, da die Fed, die den Preis der Mehrheit aller Kredite weltweit bestimmt, nun beschlossen hat eine Pause in ihren Zinsschritten einzulegen, nachdem sie den Sektor in den vorangegangenen Monaten massiv unterstützt hat.

Nichtsdestotrotz hat die EZB in ihrer letzten Mitteilung angedeutet, dass sie bestimmte Anleihen, deren Fälligkeitsdatum erreicht ist, ab Juli nicht mehr verlängern wird. Ihre Bilanz wird dadurch stärker sinken, was das Finanzsystem der Eurozone belasten könnte. Die EZB will die Inflation Schritt für Schritt bekämpfen und gleichzeitig eine Bankenkrise vermeiden, was unmöglich scheint.

Was birgt die Zukunft für die Eurozone?

Kurzfristig sollte die Wirtschaft der Eurozone durch einen erneuten Rückgang des BIP im kommenden Semester gekennzeichnet sein. Der Index, der die Aktivität des Herstellungs- und Dienstleistungssektors in der Eurozone misst, ist auf ein extrem niedriges Niveau gefallen und bleibt hinter den Erwartungen zurück. Dieser Sektor, der sich bislang gut gehalten hatte, zeigt, dass die Wirtschaftsaktivität in Europa äußerst anfällig bleibt. Auf den ersten Blick könnte diese Entwicklung die EZB veranlassen, die Straffung der Geldpolitik bei ihrem Treffen im Juli weniger aggressiv fortzusetzen. Davon gehen zumindest die Märkte aus, denn die langfristigen Zinsen sind im Anschluss an diese Daten gesunken. Dennoch bleibt dieses Szenario sehr unwahrscheinlich, weil die Inflation weiter stark erhöht ist und ein solcher Strategiewechsel eine Abwertung des Euros gegenüber dem Dollar zur Folge hätte, was die Inflation zusätzlich befeuern würde. Die Preiserhöhungen werden sich also in den kommenden Monaten weiter verlangsamen, wie die Entwicklung der Produktionspreise zeigt, aber gleichzeitig auch das Wachstum ausbremsen.

Mittel- und langfristig könnten mehrere Jahre der wirtschaftlichen Stagnation auf die europäischen Staaten zukommen. Der alte Kontinent leidet noch immer unter den unterschiedlichen Interessen seiner Mitgliedsstaaten und seiner Struktur, die nicht ausreichend daran angepasst ist. Die Einflussnahme ausländischer Mächte erstickt zudem jede Möglichkeit einer Neuorientierung hin zu einem anderen Modell bereits im Keim. Solange sich an diesen Umständen nichts ändert, bleibt es utopisch, von einem Wiederaufleben Europas zu sprechen. Angesichts der Welt von morgen ist der Einsatz allerdings hoch. Neue Mächte beanspruchen ihren Platz und neue Allianzen werden geschmiedet. Die einzigartigen Eigenschaften Europas, insbesondere in kultureller, intellektueller und wirtschaftlicher Hinsicht könnten es dem Kontinent ermöglichen, sich in vielen Bereichen als führend zu positionieren.

Gold in Zeiten der Rezession

In Zeiten der Rezession hat sich Gold immer als sicherer Hafen erwiesen, der insbesondere eine Absicherung gegen das Risiko eines Marktcrashs bot. Seit mehr als einem halben Jahrhundert zeigt sein Kurs während der meisten Rezessionen eine Aufwärtsbewegung. Vor allem während der Subprime-Krise erwies sich das Edelmetall als ausgesprochen attraktiv: Die Nachfrage stieg immer weiter und der Preis hat sich innerhalb von vier Jahren verdoppelt (zwischen 2007 und 2011).

Auch der Rückgang der Wirtschaftsaktivität von 2020 sorgte für eine hohe Nachfrage und ermöglichte dem Goldkurs ein neues Allzeithoch. Die Rückkehr der Inflation im Jahr 2021 hat Gold bis heute weiteren Auftrieb gegeben. Und da die aktuelle Rezession von einer starken Inflation begleitet wird, sollte die Nachfrage nach Gold folglich noch weiter zunehmen.

Was Silber betrifft, so bleibt die Entwicklung ungewiss. Obwohl auch sein Kurs während der Krise von 2007-2008 stark zulegte, entwickelt sich Silber in Zeiten der Rezession im Allgemeinen nicht so gut wie Gold. In den letzten 50 Jahren konnte das weiße Metall nur während drei von acht Rezessionen eine bessere Performance verbuchen als der S&P 500: 1973, 1981 und 2007. Der Silbermarkt bleibt aufgrund seiner geringeren Größe außerordentlich volatil. Da Silber in zahlreichen Industrieprodukten verwendet wird (insbesondere in der Energieerzeugung, z. B. in Atomreaktoren, Solarpanels etc.), kann ein Rückgang der Wirtschaftsaktivität immer unerwartete Konsequenzen für seinen Kurs haben.

Kurz- bis mittelfristig sollte Gold zumindest seinen Aufwärtstrend fortsetzen. Die Fortdauer der Inflation in den westlichen Volkswirtschaften, die geopolitischen Spannungen, die Abkühlung der Weltwirtschaft und das Wiederaufleben des Protektionismus sind zahlreiche Faktoren, die darauf schließen lassen, dass die Nachfrage in den kommenden Monaten weiter steigen wird. Diese Entwicklungen sind von globaler Tragweite und führen folglich dazu, dass sich Investoren weltweit stärker dem gelben Metall zuwenden.

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