Wird sich der konjunkturelle Abschwung in den USA beschleunigen?
Mit Blick auf den Arbeitsmarkt ist im Produktionssektor ein deutlicher Rückgang der Stellenangebote zu verzeichnen, während die Baubranche vergleichsweise dynamisch bleibt:
Der Bausektor hängt am Tropf des Staates und profitiert enorm von den umfangreichen Konjunkturpaketen.
Zahlreiche Beobachter beginnen allerdings, die Zuverlässigkeit der Arbeitsmarktdaten in Frage zu stellen.
Die Tatsache, dass die US-Wirtschaft während der letzten 41 Monate kontinuierlich neue Stellen geschaffen hat, ist ein unterstützender Faktor für die Entwicklung der Märkte.
Eine genauere Analyse offenbart jedoch, dass es sich bei einer Rekordzahl dieser Stellen um Teilzeitangebote handelt.
Millionen von Amerikaner arbeiten in mehreren Jobs, um ihre Grundbedürfnisse erfüllen zu können:
Im Mai 2024 ging eine Rekordanzahl von 8,4 Millionen Personen mehreren Beschäftigungen gleichzeitig nach, ein Anstieg um 3 Millionen gegenüber dem während der Pandemie 2020 verzeichneten Tiefstwert.
Im Mai hat die Teilzeitbeschäftigung mit einem Plus von 286.000 Stellen deutlich zugenommen.
Die Vollzeitbeschäftigung sank im letzten Monat gleichzeitig um 625.000 Stellen:
Die Zunahme der Teilzeitarbeit täuscht derzeit über diese grundlegende Tendenz hinweg.
Der problematischste Punkt dieser Analyse ist jedoch ein anderes Phänomen.
Gemäß einer neuen Umfrage, die Qualtrics unter US-Amerikanern der Generation Z durchführte, finden 60 % traditionelle Arbeitsstellen (von 9.00 Uhr bis 17.00 Uhr) aufreibend und 43 % gaben an, nicht in einem solchen Job arbeiten zu wollen.
Das Phänomen des „Quiet Quitting“ (innere Kündigung), das sich in der Arbeitswelt der USA immer weiter ausbreitet, betrifft vor allem die junge Generation. Auf zahlreiche Segmente des Arbeitsmarktes wirkt sich die Verschlechterung der Wirtschaftslage bislang kaum aus, hauptsächlich weil ein Mangel an motivierten Kandidaten besteht. Das traditionelle Arbeitskonzept hat ausgedient. In diesem Kontext sind die amerikanischen Beschäftigungszahlen heute sicherlich weniger repräsentativ für die tatsächliche Wirtschaftslage des Landes.
Ein markanter Unterschied offenbart sich beim Blick auf die Nationalität der Arbeitnehmer. Seit 2021 haben vor allem ausländische Arbeitskräfte von der guten Entwicklung des Arbeitsmarktes profitiert:
Aus diesen Zahlen lassen sich mehrere Schlussfolgerungen ziehen:
Die Unterstützungsmaßnahmen der US-Regierung im Bausektor kamen vor allem Arbeitsplätzen mit geringen Qualifikationsanforderungen zugute, von denen Neuankömmlinge auf amerikanischem Boden oftmals am meisten profitieren.
Zudem betrifft die Zunahme der Teilzeitbeschäftigung wahrscheinlich ebenfalls einen signifikanten Anteil dieser Bevölkerungsgruppe.
Welcher Faktor hat die Struktur des US-amerikanischen Arbeitsmarktes tiefgreifend umgeformt? Die Inflation!
Die gestiegenen Lebenshaltungskosten bringen die Arbeitnehmer dazu, mehrere Stellen gleichzeitig anzunehmen oder zu kündigen, wenn eine Beschäftigung nicht mehr ausreichende Einnahmen garantiert, um den Lebensstandard halten zu können. Die Reallöhne sind in den letzten fünf Jahren gesunken, was unerwartet starke Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt hatte.
Die Beschäftigungszahlen müssen also unter Einbeziehung der Inflationsdaten präzise analysiert werden.
Die Fed scheint ihren Kampf gegen die Inflation unterdessen aufgegeben zu haben und die Märkte erwarten nunmehr eine Zinssenkung vor den nächsten Wahlen in den USA.
Die Anzeichen für ein erneutes Wiederaufflammen der Inflation mehren sich jedoch: Die Mieten steigen erneut und die Kosten im Seeverkehr erhöhen sich rasant und lassen einen Anstieg der Herstellerpreise in den kommenden Monaten vorausahnen.
Die anhaltenden Probleme in den Produktions- und Lieferketten sind nicht gelöst. In einem Interview erklärte der Vorstandsvorsitzende von Airbus, Guillaume Faury, kürzlich, dass die Knappheit an Motoren Reibungen verursacht.
„Das ist eine neue Situation, die wir nicht vorhergesehen haben.“
„Airbus fehlt es überall an Bauteilen.“
Die Lieferkettenprobleme verschärfen sich also erneut, während gleichzeitig ein dauerhafter Wiederanstieg der Inflationsraten droht.
Die Inflation hat die Analysen der US-Arbeitsmarktdaten also ziemlich durcheinandergebracht.
Wenn man sich allein auf die Beschäftigungsdaten stützt, scheint der Beginn einer neuen Rezession in den Vereinigten Staaten daher schwer vorhersehbar zu sein.
Doch es gibt ein effizienteres Hilfsmittel, mit dem sich bestimmen lässt, wann ein neuer Abschwung der US-Wirtschaft bevorsteht: Die Inversion der Zinsstrukturkurve.
Eine Umkehr der Zinssätze fiel immer mit Zeiten der Rezession zusammen. Bereits seit Oktober 2022 können wir eine invertierte Zinskurve beobachten. Je länger diese Umkehr anhält, desto stärker wird der anschließende Abschwung ausfallen.
Seit dem Beginn der Nachkriegszeit hatten die Märkte nie zuvor derart langfristige Unterstützung, während sich die Zinskurve (10-Jahres-Zins/3-Monats-Zins) dauerhaft umkehrte.
Sollte sich die Geschichte wiederholen, wäre eine Rezession für die Märkte also noch schädlicher als frühere Konjunkturrückgänge.
Tavi Costa hat diese Woche eine sehr interessante Grafik zum Verhältnis zwischen den 2-jährigen und den 30-jährigen Zinssätzen veröffentlicht:
Dieser Chart zeigt besonders anschaulich, wie kurz wir bei diesem Zinsverhältnis vor dem Durchbrechen der abwärts gerichteten Widerstandslinie stehen.
Anders gesagt ist das Ende der Zinsinversion absehbar. Doch die Rezessionsgefahr ist gerade zum Ende dieser Phase am größten.
Während wir noch auf das definitive Signal für einen beginnenden Abschwung warten, verzeichnet der US-Dollar gegenüber dem Yen neue Hochs: Seit 1986 war die japanische Währung gegenüber der US-Währung nicht mehr so schwach wie heute!
Der Goldpreis bleibt im Kontext des stärkeren Dollars unter Druck und setzt seine Konsolidierung nach dem jüngsten Ausbruch nach oben fort:
Die kommenden Wochen könnten äußert volatil werden. Die Wahlen in Frankreich und die Reaktion der Bank of Japan auf die Schwäche des Yen sind Faktoren, die die Spannungen an den Märkten weiter verschärfen könnten.
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