Die Ausgabe neuer Schuldpapiere ist mit der Covid-19-Krise regelrecht explodiert. Die Neuverschuldung lag schon zuvor auf hohem Niveau, aber aktuell werden Rekordzahlen gemeldet, die selbst während der Subprime-Krise 2008 nicht erreicht wurden. In einer Mitteilung zieht die Banque de France Zwischenbilanz: In der Eurozone wurden seit Beginn der Gesundheitskrise (von März bis einschließlich August) neue Schuldtitel im Wert von 1,116 Billionen Euro ausgegeben. Der Großteil der Neuverschuldung entfällt auf die Staatsregierungen (874 Milliarden Euro bzw. 78% des Gesamtbetrags), danach folgen die „nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften“, d. h. die großen Unternehmen, die insgesamt Anleihen im Wert von 122 Milliarden ausgegeben haben, danach die Banken und Versicherungen mit 107,5 Milliarden Euro und schließlich die Kategorie „andere“ mit 12,5 Milliarden Euro.
Der Rückgang der wirtschaftlichen Aktivität infolge der Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen bringt die Staaten dazu, ihre Ausgaben und Defizite nach oben zu treiben, in dem Versuch, die Krise einzudämmen. Frankreich belegt den Spitzenplatz mit einer Schuldenerhöhung im Umfang von 13% des BIP und einem Anstieg der Gesamtverschuldung von 100% auf 113% des BIP (zum Jahresende wird sie sich 120% des BIP nähern). Ist das die richtige Lösung? Staatliche Subventionen schaffen selten echten Wohlstand, halten aber oft die Zombie-Unternehmen am Leben. Steuererleichterungen und -aufschübe wären mit Sicherheit hilfreicher gewesen.
Die Banken haben unterm Strich viel weniger Geld geliehen als während der Finanzkrise von 2008 – aber nicht, weil sie sich heute in besserer Verfassung befänden, wie die französische Zentralbank uns glauben machen möchte, sondern weil sie von der Subprime-Krise direkt betroffen waren und unmittelbare, massive Verluste erlitten, während 2020 vor allem die Realwirtschaft unter den Auswirkungen der wiederholten Beschränkungen leidet. Die Folgen für den Bankensektor (Kreditausfälle) werden erst später zu spüren sein, aber keineswegs weniger hart ausfallen…
Wer hat nun diesen neuen Berg an Schuldverschreibungen aufgekauft? Die Mitteilung der Banque de France gibt ohne Umschweife die Antwort: „Absorbiert wurden diese Emissionen in erster Linie von den Zentralbanken“ der EU-Staaten, d. h. letztlich von der Europäischen Zentralbank (EZB), die diese Institutionen vereint und zusammenfasst. Die 19 nationalen Zentralbanken der Eurozone haben 59,2% der Staatsanleihen und 63,1% der privaten Schuldpapiere gekauft, die zwischen März und August 2020 neu ausgegeben wurden – das entspricht insgesamt 756,7 Milliarden Euro.
Die restlichen rund 317 Milliarden Euro wurden von Banken und Investmentfonds in der EU gekauft. Aber nicht aus „wirtschaftlichen“ Gründen (um die Investmentnachfrage ihrer Kunden zu decken), sondern um diese Papiere als Sicherheit bei der EZB angeben und dafür mehr Liquidität erhalten zu können. Die Banken geben also Geld aus, um Geld zu erhalten. Warum? Weil sie ihre Bilanzen mit als „sicher“ betrachteten Aktiva (Staatsanleihen) verschönern müssen. Ihre restlichen Assets (Kredite für die Wirtschaft) werden sich schließlich im Zuge der fortschreitenden Wirtschaftskrise deutlich verschlechtern.
Wie wir sehen befinden sich die Staatsschulden nun also auf den Konten der EZB, entweder durch direkte Käufe oder auf indirektem Wege (als Sicherheit für liquide Mittel, die an die Geschäftsbanken verliehen wurden). Die Schlange beißt sich in den eigenen Schwanz und das staatliche Haushaltsdefizit wird praktisch gänzlich von der Zentralbank finanziert: Die Geldmenge explodiert, die drohende Inflation rückt näher…
Wenn man sich stattdessen auf den Markt (d. h. auf die Privatanleger) verlassen müsste, triebe eine derartige Explosion des Finanzierungsbedarfs die Zinssätze nach oben. Dies brächte wiederum den gesamten Schuldenberg zum Einsturz und risse sowohl Staaten als auch Banken mit in den Abgrund. Doch glücklicherweise ermöglicht die vollständige Finanzierung durch die EZB es, die Zinsen bei null zu lassen. Zum Glück für die Staaten, die sich so problemlos finanzieren können, aber zum Unglück der Kleinanleger und Sparer, deren traditionelle Bankeinlagen keine Erträge mehr abwerfen, bevor sie womöglich von der Inflation aufgefressen werden.
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