Wann ist die Konjunktur günstig für den Goldkurs? Gibt es technische Konstellationen, die für den Kauf des gelben Metalls besonders geeignet sind?

In diesen Beitrag wollen wir eine empirische Analyse durchführen, die für jeden guten Goldinvestor unerlässlich ist. Wir stützen uns dabei auf eine statistische Herangehensweise basierend auf amerikanischen Daten. Im Laufe des Artikels werden wir aufzeigen, dass:

  • Der gleitende Durchschnitt ein fundamentales Kriterium für die Bestimmung von Kaufzonen darstellen kann.
  • Trends des Goldkurses sind über einen 10-Jahres-Zeitraum am deutlichsten zu erkennen. Je kürzer der betrachtete Zeitraum, desto schwerer lässt sich die Trendrichtung bestimmen.
  • Die Stochastik kann als technisches Werkzeug eine große Hilfe bei der Bestimmung von Kaufkursen sein. 
  • Das wirtschaftliche Kriterium der Inflation ist nicht aussagekräftig genug, um Kaufzonen zu identifizieren.
  • Gold tendiert zu Korrekturen, wenn sich die Wirtschaft gut entwickelt, ohne dass dies ein entscheidender Faktor ist. Umgekehrt können Rezessionen manchmal die Wahrscheinlichkeit einer Goldhausse erhöhen.

Der gleitende 20-Monats-Durchschnitt

Der Trend ist der beste Freund des Investors. Messen lassen sich Trends unter anderem mit Hilfe gleitender Durchschnitte. Beim Betrachten des Kursdurchschnitts der jeweils letzten 20 Monate tauchen interessante Kaufsignale auf. Der nachfolgende Chart zeigt einerseits den Goldkurs in Dollar und andererseits die Differenz zwischen dem Goldpreis und seinem gleitenden 20-Monats-Durchschnitt (rote Kurve). Im Allgemeinen können wir sagen, dass jeder Ausbruch der Differenz nach oben eine Haussesignal impliziert.

 

 

Zwischen 1970 und 2023 notierte der Goldkurs 62 % der Zeit oberhalb seines gleitenden 20-Monats-Durchschnitts. Das ist der Fall, wenn die Differenz zwischen dem Goldkurs und seinem gleitenden Durchschnitt größer als Null ist. Man kann daher vernünftigerweise davon ausgehen, dass Gold auch in Zukunft mehrheitlich oberhalb dieses Durchschnitts bleiben wird. Aktuell ist die Differenz zwischen dem Goldpreis und dem gleitenden 20-Monats-Durchschnitt von -40 im Dezember 2022 auf +10 im Januar 2023 geklettert. Wir sehen hier also ein Haussesignal.

Es lassen sich also die folgenden Entwicklungen ins Auge fassen:

  • Im Rahmen einer überschaubaren Hausse könnte der Goldkurs erneut die Zone zwischen 1.900 $ und 1.950 $ erreichen.
  • Im Falle einer relativ starken Hausse, wenn die Differenz zwischen Goldpreis und dem gleitenden Durchschnitt erneut auf +250 steigt, könnte der Goldkurs in Richtung 2.060 $ klettern und damit das letzte Allzeithoch in Angriff nehmen.
  • Im Falle einer exzessiven Hausse, so wie wir sie 1980 oder 2010 erlebt haben, würde sich der Goldkurs auf einem Niveau von 2.300 $ oder 2.400 $ wiederfinden. Diese Kursniveaus sind zumindest aus statistischer Sicht durchaus vorstellbar.
  • Ein Baisse-Szenario würde sich schließlich abzeichnen, falls der Kurs dauerhaft unterhalb von 1.800 $ je Unze bleiben sollte.

Welcher gleitende Durchschnitt ist für Gold am effizientesten?

Wir haben eine Reihe von Berechnungen angestellt, um Daten vorzustellen, die so noch nie veröffentlicht wurden. Wir haben gesehen, dass der gleitende Durchschnitt ein unerlässliches Kriterium für Anlageentscheidungen darstellt. Je länger der vom Durchschnitt erfasste Zeitraum ist, desto wahrscheinlicher wird es, dass der Kurs bei einem Aufwärtstrend darüber liegt. In der folgenden Grafik haben wir alle gleitenden Durchschnitte (vom 20-Monats-Durchschnitt bis zum 240-Monats-Durchschnitt) dargestellt. Anschließend haben wir die Zeitdauer berechnet (in %), die der Goldkurs oberhalb eines jeden Durchschnitts verbracht hat.

Diese Analyse ist äußerst interessant. Je mehr Zeit oberhalb des gleitenden Durchschnitts verbracht wurde, desto stabiler ist der Aufwärtstrend. Anhand dieser Grafik sehen wir also, dass der Trend zwischen 20 und 110 Monaten nicht besonders klar ist. Das heißt, dass der Trend des Goldkurses vergleichsweise instabil ist, wenn man einen Zeitraum zwischen ein und neun Jahren betrachtet. Um einen dauerhaften Aufwärtstrend zu erhalten (mit einer Wahrscheinlichkeit von 70 %, dass der Kurs oberhalb des gleitenden Durchschnitts liegt), sollte die Entwicklung des Goldpreises über mindestens zehn Jahre zugrunde gelegt werden!

 

 

Darüber hinaus sehen wir anhand dieser Studie, dass die interessantesten gleitenden Durchschnitte zur Ableitung von Investmentsignalen der 20-Monats- und der 60-Monats-Durchschnitt sowie die Durchschnitte von mehr als 120 Monaten (10 Jahren) sind. Wir bemerken zudem, dass der Goldkurs mehr als 70 % der Zeit oberhalb des gleitenden 120-Monats-Durchschnitts verbringt.

Die Stochastik

Die Stochastik zählt zu den traditionellen Werkzeugen in der Finanzwelt. Obwohl es eher zu Phasen der Kursstagnation passt, ist auch seine langfristige Anwendung sachdienlich. Die Berechnung ist relativ simpel und kann manuell und punktuell durchgeführt werden. Für den gewählten Zeitraum erfolgt sie wie folgt:

Stochastik = 100 x [(letzter Kurs – Minimum) / (Maximum - Minimum)]

Diese Berechnung erlaubt es auf einfache Weise, den aktuellen Kurs mit dem letzten Hoch oder Tief des betrachteten Zeitraums zu vergleichen. Der stochastische Wert bewegt sich zwischen 0 und 100. Wichtige Schwellen befinden sich im Allgemeinen bei 20 und 80. Wir haben diese Berechnung auf die letzten 24 Monate (stochastische Werte für 2 Jahre) angewendet und ihre Entwicklung mit dem Goldkurs verglichen.

 

 

Die Grafik zeigt den Goldkurs und die stochastischen Werte für 24 Monate (rechte Achse).  Seit 1970 sind die Werte nur 8-mal unter 20 gesunken. Dieses Niveau stellte langfristig immer eine interessante Kaufzone dar. Die Daten, zu denen die Stochastik eine starke Baisse zeigte, waren folgende: 1976, 1982, 1985, 1989-1992, 1997-2000, 2013-2016, und zuletzt November 2022. (Siehe dazu unser Artikel vom November 2022.) Die Zeiträume, die die Kaufzonen für Gold seit 1970 voneinander trennen, betragen 6 Jahre, 3 Jahre, 6 Jahre, 7 Jahre und 15 Jahre (7 Jahre im Schnitt). Alle 7 bis 10 Jahre Gold zu kaufen ist also eine weitere mögliche, simple Herangehensweise an diese Anlageform.

In dieser Betrachtungsweise ist Gold aktuell noch immer auf einem interessanten Niveau, auch wenn die Stochastik das Ausmaß der künftigen Kursbewegung nicht vorhersagen kann. Dagegen handelt es sich um ein unverzichtbares Werkzeug, um langfristige Kaufzonen zu optimieren.

Es muss darauf hingewiesen werden, dass die Stochastik ein Indikator für stagnierende Märkte ist. Das heißt, dass ein stochastischer Wert in der Nähe von 100 nicht automatisch bedeutet, dass es zu einem Rücksetzer am Markt kommen wird. Ein hoher stochastischer Wert führt im Gegenteil häufig zu neuen, aufeinanderfolgenden Hochs. Phasen, in denen der Goldkurs stagniert, sind also oft Kaufzonen (die Kaufzonen sind weiter gefasst als die Verkaufszonen).

 

 

Wenn man den Goldkurs in Euro betrachtet, zeigt die Stochastik eine etwas andere Konfiguration. Unter anderem hat Gold in Euro vor allem aufgrund der Schwäche der Währung neue Allzeithochs erreicht.  Die Kaufgelegenheiten sind daher aktuell weniger interessant als in Dollar. Darüber hinaus stellen wir fest, dass die stochastischen Werte für Gold in Euro seltener die Nulllinie erreichen. Das bedeutet, dass der Goldkurs in Euro öfter in der Nähe seiner Allzeithochs notiert. Anders gesagt: Der Euro verliert an Wert.

Das Kriterium Inflation und Rezessionen

Wir haben auf Seiten der technischen Indikatoren nach Kriterien für gute Anlagezeitpunkte gesucht. Doch auch die Betrachtung der wirtschaftlichen Faktoren ist in diesem Zusammenhang interessant.

Wie wir in unserem vorherigen Artikel gezeigt haben, besteht kein echter Zusammenhang zwischen der Inflation und dem Goldkurs. Die folgende Grafik vergleicht die Entwicklung des Goldpreises (horizontale Achse) und das Niveau der Inflation (vertikale Achse). Dennoch ist es interessant zu sehen, dass hohe Inflationsraten tendenziell zu einer stärkeren Bewegung des Goldpreises führen – in Richtung des einen oder des anderen Extrems.

 

 

Vergleichen wir nun die Performance von Gold mit einem sehr bekannten Wirtschaftsindikator. Es handelt sich um die Zinsdifferenz zwischen den 10-jährigen und den 2-jährigen Staatsanleihen. Diese Differenz, die normalerweise positiv ist, spiegelt die Tatsache wider, dass die Investoren mehr Vertrauen in die Gegenwart als in die Zukunft haben. Doch wenn sich eine Rezession ankündigt, bevorzugen die Marktteilnehmer langfristige Anlagen, wodurch es zu einer negativen Zinsspanne (10-Jahres-Zins – 2-Jahres-Zins) kommt. Theoretisch sollte sich der Goldkurs besser entwickeln, wenn diese Spanne negativ ist.

 

 

Es ist festzustellen, dass eine negative Zinsspanne zwischen den 10- und den 2-jährigen Anleihen im Allgemeinen eine Rezession ankündigt. Sie hat zwar keinen echten Einfluss die Performance des Goldkurses, aber sie verstärkt extreme Variationen des Goldkurses.

Wachstum und Entwicklung des Goldpreises

Unter den Investoren ist der Glaube an eine gute Entwicklung des Goldkurses in Zeiten des wirtschaftlichen Abschwungs weit verbreitet. Tatsächlich wurden nur zwei der acht „Rezessionen“ des nominalen BIP seit 1970 von sinkenden Goldpreisen begleitet. Die nachfolgende Grafik zeigt die jährliche Variation des nominalen BIP der USA (nicht inflationsbereinigt, vertikale Achse) und die Performance des Goldkurses (horizontale Achse). Rückgänge des nominalen BIP sind unter der 0-%-Linie der vertikalen Achse eingezeichnet.

 

 

Unter anderem ist die Entwicklung des Goldpreises meist dann negativ, wenn das nominale Wirtschaftswachstum zwischen 2 % und 8 % liegt. Anders gesagt kann sich Wachstum nachteilig auf den Goldpreis auswirken. Zudem ist es wichtig darauf hinzuweisen, dass das nominale BIP der USA in der Zeit von 1970 bis 2021 um das 21-fache gewachsen ist. Der Goldpreis ist dagegen auf das 52-fache geklettert. Anders gesagt ist die Performance des Goldkurses doppelt so gut wie das nominale Wirtschaftswachstum in den USA…

 

 

Darüber hinaus stellen wir einen mehr oder weniger direkten Zusammenhang zwischen der Entwicklung des Goldpreises und dem Haushaltsdefizit fest. Die obenstehende Grafik vergleicht den Goldkurs (gelbe Kurve) mit dem invertierten US- Haushaltsdefizit (schwarze Kurve). Je größer das Defizit wird, desto höher klettert Gold. Ein Anstieg des amerikanischen Haushaltsdefizits deutet sogar meistens auf eine bevorstehende Goldhausse hin. Die Daten für den Goldkurs sind nur bis 2021 dargestellt, doch wir wissen, dass der Rückgang des Defizits 2021 von einer entsprechenden Abwärtskorrektur des Goldkurses 2022 begleitet wurde.

Ein Zusammenhang mit der Börse?

Die letzte Frage, die sich stellt, ist die nach einem echten Zusammenhang zwischen den Aktienkursen und dem Goldkurs. Es kristallisiert sich heraus, dass der Goldpreis in Zeiten sinkender Börsenkurse im Allgemeinen dynamischer ist. Obwohl durchaus eine Korrelation zwischen der Börse (hier repräsentiert durch den Dow Jones) und Gold besteht, ist die Verbindung nicht unbedingt eindeutig.

 

 

Offensichtlich ist die Korrelation zwischen Gold und dem Dow Jones kurzfristig stärker als mittelfristig. Doch in Zeiten wirtschaftlicher Abkühlung können große Divergenzen zwischen den Kursen der beiden Vermögenswerte auftreten. In den letzten 10 Jahren seit 2013 hat der Goldkurs 40 % zugelegt. Im gleichen Zeitraum konnte der Dow Jones ein Plus von 130 % verbuchen. Man versteht also, warum die Trends des Goldkurses ab einem Zeitraum von mehr als 10 Jahren besonders interessant werden.

 

 

Die obenstehende Grafik bestätigt, dass die Entwicklung des Goldpreises nicht unmittelbar an die der Börse gekoppelt ist. Offensichtlich ist es unnütz, erneut daran zu erinnern, dass Gold keine Dividende abwirft. Doch man kommt nicht umhin zu bemerken, dass sich das gelbe Metall recht widerstandsfähig zeigt, wenn die Börse tiefrote Zahlen schreibt.

Zusammenfassung

Zusammenfassend untersuchte unsere Studie zwei Arten von Kriterien, mit deren Hilfe potentielle Kaufzonen für Gold definiert werden können. Zum einen haben wir fundamentale statistische Indikatoren betrachtet. Deren Relevanz wurde bestätigt, aber wir bemerken dennoch die Bedeutung langfristiger Trends im Goldkurs.

Darüber hinaus haben wir die Stochastik angewendet, um Kaufzonen deutlich sichtbar zu machen. Beim Goldkurs (in Dollar) wiederholen sich die Kaufzonen oft nach 6 bis 9 Jahren (zwei bis drei Kitchin-Zyklen). Die stochastischen Werte bleiben ein zuverlässiges und punktuell berechenbares Hilfsmittel, das eine interessante Periodizität hervorhebt.

Zum anderen haben wir die Aussagekraft wirtschaftlicher Faktoren (Inflation, Zinsen, Wachstum, Börsenentwicklung) untersucht. Die Entwicklung der Inflation oder der Aktienkurse scheinen keine ausreichenden Kriterien für die Identifizierung von Kaufzonen bei Gold zu sein. Das Wachstum kann dagegen in Zeiten der wirtschaftlichen Abkühlung die Tendenz des Goldkurses zur Widerstandsfähigkeit und oft zur Outperformance gegenüber der Börse sichtbar machen. Diese Erkenntnisse können auch in der Praxis angewendet werden.

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Die in diesem Artikel bereitgestellten Informationen dienen rein informativen Zwecken und stellen keine Anlageberatung und keine Kauf- oder Verkaufsempfehlung dar.