Der Kaufkraftverlust, den wir in unserem letzten Artikel thematisiert hatten, hat sich bestätigt:

„Die Welle der Inflation erreicht die Supermärkte“, titelt Les Echos. Die Experten prognostizieren Preiserhöhungen um 5 % bis Ende Juni und um 7 % bis 10 % bis Jahresende.

„Die Zahl der Immobilienkredite fällt“, schreibt La Tribune, da die Zinsen für die Haushalte steigen, die sich nun mit einer Erhöhung ihrer fixen Ausgaben konfrontiert sehen. Das sollte sich auch bei den Neubauten bemerkbar machen, und wenn es dem Bauwesen schlecht geht, läuft es überall schlecht…

Niemand sollte glauben, dass die Energiepreise auf ihr früheres Niveau sinken werden, sobald in der Ukraine ein Friedensvertrag unterzeichnet wird. Die Sanktionen gegen Russland sind langfristig angelegt. Die Europäische Union will endgültig und schnellstmöglich auf russisches Öl und Gas verzichten. Die neuen Zulieferer werden uns jedoch keine Geschenke machen, im Gegenteil. Wir werden das Scheckheft zücken müssen, denn die OPEC weigert sich ihre Produktion zu erhöhen und das amerikanische Flüssiggas benötigt für die Verflüssigung teure Anlagen und viel Energie. Zudem werden „die Energiepreise erhöht bleiben, um die Energiewende zu finanzieren“, bestätigt der Vorsitzende des französischen Versorgungsunternehmens Engie in Le Figaro. Zusammen mit dem Gelddrucken stellt die Energiewende eine grundlegende Ursache der Inflation dar, die mit dem Krieg in der Ukraine nun noch eine dritte Antriebskraft bekommen hat.

Die Erhöhung der Rohstoffpreise (Energie, Erze, Lebensmittel), die steigenden Zinsen und die Kosten der Energiewende haben „einen starken Rückgang des potenziellen Wachstums in Europa“ zur Folge, wie die Analysten von Natixis erklären. Das Ausgangsniveau war bereits sehr niedrig, deshalb braucht man sich nicht scheuen von einer Rezession zu sprechen. Die USA werden dem dank ihrer fossilen Rohstoffe entgehen, die ihnen praktisch Unabhängigkeit ermöglichen. Aber Europa wird leiden.

Die Prognosen verdüstern sich. In Deutschland warnt die Bundesbank: „Im verschärften Krisenszenario würde das reale BIP im laufenden Jahr gegenüber dem Jahr 2021 um knapp 2 % zurückgehen.“ Noch beunruhigender sind die Vorhersagen für 2023 und 2024, laut denen ein Rückgang um mehr als 4 % denkbar ist. Diese Rezession erklärt sich im Kern durch die Rohstoffpreise. Die Prognosen für Frankreich und andere, weniger mit Industrie gesegnete europäische Länder, dürften ähnlich katastrophal ausfallen.

Räumen wir nun mit einem Argument auf, das dem Rezessionsszenario oft entgegengehalten wird: „Aber die französische Wirtschaft schafft doch neue Arbeitsplätze, das beweist ihre Stärke!“ heißt es aus den Kreisen der Macht. Im ersten Quartal 2022 wurden in Frankreich effektiv 66.000 Stellen geschaffen, aber wie Les Echos schreibt, „die Milliarden des ‚was auch immer es kostet‘ haben die Beschäftigung auf Kosten der wirtschaftlichen Produktivität unterstützt.“ Dies bedeute, dass „zahlreiche ‚Zombie‘-Unternehmen mit staatlichen Mitteln am Leben gehalten wurden.“

Nachdem sie lange von der Aussicht auf einen Aufschwung nach Ende der Corona-Pandemie getragen wurden, brechen die Märkte nun seit einigen Wochen ernsthaft ein. Ihnen wird bewusst, dass die Inflation die Kaufkraft sinken lässt, und dass der Konsum – wichtigster Wirtschaftsmotor in den Industriestaaten – zu schwächeln beginnt. An den Märkten fängt man gerade an, die Möglichkeit einer Rezession einzupreisen.

Nur Christine Lagarde scheint das nicht zu begreifen, wenn sie sagt, dass „eine Stagflation derzeit nicht das Ausgangsszenario der Europäischen Zentralbank“ ist. Dabei haben wir sie schon! Die Stagflation wäre sogar ein beneidenswert positives Szenario angesichts des Rückgangs des BIP und der allgemeinen Verarmung, die uns erwarten. Ihre Verweigerungshaltung, ihre Ablehnung gegenüber einer Erhöhung des Leitzinses und ihre Apathie angesichts der Inflation werden die Schwächung des Euros gegenüber dem Dollar verlängern und so einen zusätzlichen Grund für die Inflation schaffen (da Rohstoffe in Dollar bezahlt werden, führt ein schwächerer Euro automatisch zu höheren Preisen). Dieses blinde und ziemlich ahnungslose Herumtasten führt uns direkt in die Rezession.

Die vollständige oder teilweise Vervielfältigung ist gestattet, sofern sie alle Text-Hyperlinks und einen Link zur ursprünglichen Quelle enthält.

Die in diesem Artikel bereitgestellten Informationen dienen rein informativen Zwecken und stellen keine Anlageberatung und keine Kauf- oder Verkaufsempfehlung dar.