Bevor er sein Amt am 1. November an Christine Lagarde übergibt, hat Mario Draghi beschlossen: QE wird neu aufgelegt! Die quantitativen Lockerungen, d. h. der Rückkauf von Staatsanleihen der Länder der Eurozone, wird im Umfang von 20 Milliarden € pro Monat wieder eingeführt und „so lange wie nötig“ fortgesetzt, kündigte der EZB-Vorsitzende am 12. September bei einer Pressekonferenz an.
In der Praxis wird das neue QE-Programm einen noch höheren Betrag umfassen, da die 2600 Milliarden €, die die Europäische Zentralbank bei ihren vorherigen Anleihekäufen (März 2015 – Dezember 2018) angehäuft hat, auf genau diesem Niveau gehalten werden. Das bedeutet, dass die Mittel re-investiert werden, sobald eine Anleihe fällig wird und die Auszahlung des Nennbetrags ansteht, wie wir bereits zuvor erklärt hatten. Das betrifft etwa 16 Milliarden € pro Monat. Die realen quantitativen Lockerungen, die am 1. November beginnen, belaufen sich folglich auf 36 Milliarden € pro Monat bzw. 432 Milliarden € pro Jahr. Das ist mehr als genug, um die Zinsen bei null oder im negativen Bereich zu halten.
Mario Draghi hatte sogar die Nerven zu sagen, dass die „Negativzinsen hinsichtlich der Stimulierung des Wachstums und der Stabilisierung der Inflation tatsächlich eine sehr positive Erfahrung waren“, obwohl bezüglich dieser beiden Faktoren keinerlei Fortschritte erzielt wurden und sie weiterhin hoffnungslos träge bleiben! Der künftige Ex-Präsident der EZB hat nie verstanden, dass Nullzinsen große, unprofitable oder Verluste schreibende Unternehmen zur Kreditaufnahme animieren, wodurch sie ihr Überleben sichern, während sie in einem normalen Zinsumfeld vom Markt verschwinden würden (das Phänomen der Zombie-Unternehmen). Dadurch bleiben überschüssige Produktionskapazitäten erhalten, was wiederum einen negativen Einfluss auf die Preise und das Wachstum hat. Damit hat Draghi letztlich genau das unterstützt, was er eigentlich bekämpfen möchte!
Immerhin erkennt er an, dass die Zinsen im Minusbereich „negative Nebenwirkungen“ haben. Sie schaden den Banken, indem sie deren Haupteinnahmequelle – die Gewinnspanne bei den Zinsen – vernichten. (Typischerweise sammeln Banken die Einlagen der Sparer, indem sie diesen einen Zins zahlen, um das Geld dann zu einem höheren Satz an Unternehmen und Immobilienkäufer zu verleihen und die Differenz als Gewinn zu verbuchen. Doch diese Zeiten sind vorbei.) Aber das ist kein Problem, denn die Kreditinstitute werden sich zu einem Zinssatz von -0,50% Liquidität von der EZB beschaffen können (TLTRO-3-Programm).
Dieses Mal kam es zumindest zu öffentlichem Widerspruch, in diesem Fall durch Jens Weidmann, den Präsidenten der Bundesbank. Er erklärte, die EZB hätte eine „Linie überschritten“ und dass ein solch weitreichendes Paket nicht notwendig gewesen wäre. Er fügte hinzu, dass „diese Entscheidung zum Kauf weiterer Staatsschulden es der EZB schwerer machen wird, wieder aus dieser Politik auszusteigen. Je länger sie dauert, desto mehr werden die Nebenwirkungen und finanziellen Stabilitätsrisiken dieser äußerst expansiven Geldpolitik wachsen.“ Eine sehr klarsichtige Diagnose des Mannes, der schon seit Jahren als nächster EZB-Vorsitzender gehandelt wurde, bevor er dann im letzten Moment von Christine Lagarde überholt wurde, die ebenfalls eine laxe Geldpolitik vertritt, wie wir bereits gezeigt hatten.
In der Zwischenzeit breitet sich der Krebs der Negativzinsen weiter aus: Im Oktober wird mit Lombard Odier die erste französische Bank Gebühren auf die Einlagen ihrer Kunden erheben und andere Banken erwägen ähnliche Schritte. Bislang sind nur Einlagen im Wert von mehr als 1 Mio. € betroffen. Diese Maßnahme ist anekdotisch, aber sehr erhellend. Werden bald auch Lebensversicherungen und Sparbücher negativ verzinst werden?
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