Am 2. Juli wurde Christine Lagarde zur neuen Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB) ernannt und wird damit Mario Draghi ablösen. Das ist ein unzweifelhafter Sieg für Emmanuel Macron, weil der andere aussichtsreiche Kandidat, Jens Weidemann, die laxe Geldpolitik der EZB wiederholt kritisiert hatte. Seine Ernennung hätte einen Anstieg der Zinssätze und damit ernste Schwierigkeiten für hochverschuldete Staaten wie Frankreich bedeutet.

Doch was können wir von der ehemaligen IWF-Präsidentin erwarten, die im Gegensatz zu ihren Vorgängern nie eine Zentralbank geleitet hat? Für die Beantwortung dieser Frage stützen wir uns auf eine Mitteilung der amerikanischen Bank Goldman Sachs, welche im July Monthly Bulletin der Agence France Trésor erschien, der Abteilung des französischen Wirtschaftsministeriums, welche für die Verwaltung der Staatsschulden zuständig ist.

Basierend auf Christine Lagardes Aussagen der letzten fünf Jahre kommen die Autoren zu dem Schluss, dass ihre Ansichten „im Allgemeinen auf Kontinuität in der Strategie der EZB hinweisen.“ Weiterhin heißt es: „Wir würden erwarten, dass sie Präsident Draghis neuerliche Wendung hin zu zusätzlichen Lockerungen unterstützt.“ Und wir dachten, wir wären bereits am Tiefpunkt angelangt - aber nein, es geht immer noch schlimmer!

Die Analyse hebt hervor, dass Lagarde als überzeugte Befürworterin sowohl der quantitativen Lockerungen (QE) als auch der negativen Zinsen eingetreten ist, die 2013-2014 eingeführt wurden, um einen weiteren Rückgang der Inflation zu verhindern und die schwache Nachfrage zu stützen. Lagarde ist der Ansicht, dass diese Maßnahmen fortgesetzt werden sollen, bis „sich die private Nachfrage vollständig erholt hat“ und am Arbeitsmarkt wieder Vollbeschäftigung herrscht. Für sie sind die niedrigen Inflationsraten ein „klares Anzeichen“ dafür, dass Ressourcen ungenutzt bleiben.

Christine Lagarde versteht offenbar nicht, dass die Nullzinsen zur Lähmung der Wirtschaft beitragen, indem sie großen, nicht wettbewerbsfähigen Unternehmen das Überleben mit Hilfe von billigen Krediten ermöglichen („Zombie-Unternehmen“), wodurch Überkapazitäten in der Produktion entstehen, die die Preise niedrig halten. Zudem ist ihr nicht bewusst, dass das Wachstum in Europa von der exzessiven Besteuerung und der invasiven Bürokratie (sowohl auf gesamteuropäischer als auch auf nationaler Ebene) behindert wird. Auch der Kampf gegen den Klimawandel trägt dazu bei, indem er die Energiekosten steigen lässt, was sich wiederum in den Unternehmensbilanzen und der Nachfrage der privaten Haushalte niederschlägt.

In den Vereinigten Staaten ist das Wachstum zurückgekehrt, obwohl der Leitzins der Fed offensichtlich über dem der EZB liegt. Was hat Donald Trump unternommen? Steuersenkungen, Deregulierung, Abschaffung der Subventionierung für Windkraftanlagen, Entwicklung fossiler Energiequellen (Schiefergas, davon haben wir auch in Europa einiges). Worauf warten wir also noch? Wenn die Ideologie an erster Stelle steht, ist nicht mit guten wirtschaftlichen Ergebnissen zu rechnen.

Aber im Falle einer Krise – Banken- oder Schuldenkrise – gibt es keinen Grund zur Sorge, denn Christine Lagarde hat Präsident Draghis Strategie („was auch immer nötig ist“) in der europäischen Schuldenkrise immer unterstützt. Es ist so leicht, lassen wir einfach die Druckerpresse laufen, statt die Ursachen der Probleme anzugehen (Haushaltsdefizite, vor allem in Frankreich, Banken mit morschen Bilanzen in Italien, Griechenland oder Deutschland mit der Deutschen Bank)…

Eine Geldpolitik, die noch weiter geht als Mario Draghis Strategie, würde den Euro in Gefahr bringen und ab einem bestimmten Punkt könnte das Misstrauen gegenüber der Zentralbank zu Hyperinflation führen. Oder eine massive Bankenkrise könnte das gesamte System zum Einsturz bringen. Wir möchten Frau Lagarde, deren offizielle Amtseinführung am 1. November stattfindet, in aller Bescheidenheit raten, sich bis dahin mit den Klassikern der Österreichischen Schule (Mises, Hayek, Rothbard) auseinanderzusetzen. Das wäre eine äußerst nützliche Lektüre für den Sommer.

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