Die Grafik der Woche zeigt einen dramatischen Rückgang der Containerbuchungen für Warenlieferungen aus China in die USA zwischen Februar und April 2025, mit einem Minus von über 40 % im Jahresvergleich bis zum 7. April. Dieser abrupte Rückgang zeigt, wie stark sich der Handel zwischen den beiden Ländern verringert hat – mit Sicherheit eine Folge der zunehmend protektionistischen Maßnahmen der USA, insbesondere der Zollerhöhungen.

 

Containerbuchungen aus China in die USA

 

Nach Angaben von Freight Waves ist das weltweite Volumen der Containerbuchungen zwischen der letzten Märzwoche und der ersten Aprilwoche 2025 um 49 % gesunken. Die Importe aus China in die USA brachen um 64 % ein, während die Importe von Bekleidung und Textilien um 59 % bzw. 57 % zurückgingen und damit stärker fielen als während der Krise im Zuge der Corona-Pandemie.

Dieser heftige Rückgang zeigt, dass globale Handelsketten blockiert sind: Weder die amerikanischen Importeure noch die chinesischen Exporteure sind bereit, die Mehrkosten aufgrund der neuen Zölle zu tragen. Die Folge ist eine Welle von Auftragsstornierungen, in den Häfen Chinas häufen sich die ungenutzten Container und weltweit wird in der Produktion eine Überkapazität verzeichnet, die die Erwartungen übertrifft.

Entgegen der weit verbreiteten Annahme, dass die US-Verbraucher den Großteil der Rechnung bezahlen würden, deuten die Daten darauf hin, dass die Nachfrage weitaus elastischer ist als erwartet: Die Käufer weigern sich ganz einfach, höhere Preise zu zahlen. Diese Dynamik gefährdet Hunderte von Exporteuren – vor allem in China – denen mangels ausreichender Betriebsmittel nun Konkurs droht.

Angesichts dieses ausgeprägten Ungleichgewichts zeichnen sich zwei mögliche Szenarien ab: Entweder schnellere Verhandlungen im Handelsstreit oder die Gefahr einer weltweiten Rezession oder gar einer Depression in stark exportabhängigen Volkswirtschaften. In Europa wächst zudem die Sorge vor einer möglichen Flut chinesischer Billigprodukte, die vom amerikanischen Markt umgelenkt werden und lokale Hersteller schwächen könnten.

Die Handelsspannungen wirken sich nunmehr auch ganz konkret auf die Realwirtschaft aus, insbesondere im Güterverkehr der USA, wo sich die Flaute verstärkt: Innerhalb eines Monats ging das Frachtvolumen auf der Straße um 8,3 % zurück und sank damit auf ein Niveau, das mit dem Tiefpunkt der Corona-Krise vergleichbar ist.

 

Outbound tender volume index OTVI - Indikator für Nachfrage nach Lkw-Kapazitäten

 

In manchen Bundesstaaten mit starker Industrie wie beispielsweise Michigan haben Lkw-Fahrer seit über zwei Wochen keine Ladung mehr erhalten, insbesondere in der Automobilbranche (GM, Ford). Dieser plötzliche Aktivitätsrückgang in der Logistikbranche sorgt auch für Stress im Bankensektor, da Verbindlichkeiten im Zusammenhang mit dem Leasingverträgen von Lkw-Flotten nicht mehr zurückgezahlt werden. Manche Kredite werden schon seit über einem Jahr nicht mehr bedient.

Mehrere Finanzanalysten sind jedoch der Ansicht, dass eine rasche Beilegung des Handelskriegs – der um den Valentinstag herum mit der Ankündigung neuer Zölle begann – einen mit dem Jahr 2020 vergleichbaren Einbruch der Wirtschaft verhindern könnte. Sollte sich der Zollstreit zwischen den USA und China jedoch über einen längeren Zeitraum hinziehen, könnten die Auswirkungen auf das gesamte nordamerikanische Industriegefüge übergreifen, was einen strukturellen Wirtschaftsabschwung, Auftragsstornierungen, Konkurse im Transportwesen und einen Beschäftigungsrückgang im verarbeitenden Gewerbe nach sich ziehen würde.

Abgesehen von den nackten Zahlen verdeutlicht diese Tatsache darüber hinaus die ideologischen Gräben, die sich heute durch die USA ziehen. Für die Befürworter einer nationalistischen Wirtschaftspolitik ist der Rückgang ein strategischer Erfolg: Er zeigt die Abnahme der Importe aus China, zunehmende Autonomie in der Industrie, und letztendlich einen höheren Konsum inländischer Produkte durch die Amerikaner.

Andere Beobachter hingegen sehen darin ein alarmierendes Anzeichen für das wachsende Risiko von Knappheiten, importierter Inflation und logistischen Störungen, insbesondere im Einzelhandel und innerhalb der Lieferketten.

Kurzum, ein und dieselbe Kurve alarmiert oder beruhigt, je nachdem, wie man sie politisch interpretiert: Für die einen verkörpert sie einen Inflationsschock und eine wirtschaftliche Entgleisung; für die anderen einen Erfolg des souveränen Nationalstaats und einen heilsamen Bruch mit China. Diese Polarisierung offenbart, wie stark die Interpretation wirtschaftlicher Fakten mittlerweile gegensätzlichen Narrativen unterliegt – und wie schwierig es ist, einer objektiven Lesart Gehör zu verschaffen.

Die unterschiedlichen Interpretationsmöglichkeiten zeigen sich auch anhand des jüngsten Rückgangs des amerikanischen Bruttoinlandsprodukts. Die Gegner Trumps sehen darin den Beginn einer Rezession, die direkt durch die Zoll-Eskalation verursacht wurde. Seine Anhänger hingegen erkennen darin vor allem die Auswirkungen der Maßnahmen, die die sogenannte DOGE-Abteilung ergriffen hat, und die auf eine Kürzung der Staatsausgaben abzielen, was das BIP natürlich sinken lässt. Mit anderen Worten: Ihrer Meinung nach wurde das Wachstum unter Biden durch eine übermäßige öffentliche Nachfrage künstlich aufgebläht.

Die Unterstützer des derzeitigen Präsidenten verweisen auf ermutigende Indikatoren, allen voran die soliden Einzelhandelsumsätze:

 

Annualisierte Wachstumsrate - Einzelhandel und BIP

 

Die Inflation scheint sich etwas zu beruhigen und die Finanzmärkte erholten sich deutlich, angetrieben von einem Rekordzufluss an neuen Investoren:

 

Zuflüsse des US-Aktienmarktes pro Jahr, YTD

 

Die Skeptiker sind jedoch anderer Meinung: Sie glauben, dass die starken Einzelhandelsumsätze vor allem auf das Bevorraten bestimmter Waren vor dem Inkrafttreten der neuen Zölle zurückzuführen sind. Auch die massive Rückkehr der Privatanleger an den Aktienmarkt sei typisch für trügerische Erholungsphasen während einer Baisse.

 

Käufe von Einzelaktien des S&P 500 durch Privatanleger

 

Während in den USA über den künftigen Weg der Wirtschaft und der Märkte debattiert wird, ist eines seit dem Regierungswechsel unverändert geblieben: Das stetig wachsende Haushaltsdefizit gibt weiterhin Anlass zu großer Sorge. Hier ist keinerlei Besserung in Sicht, im Gegenteil, die Lage verschlechtert sich zusehend. Dies ist eine logische Konsequenz: Die Last der Staatsschulden explodiert förmlich, während die Zinssätze auf einem Niveau verharren, das für ein solches Defizit schlicht und ergreifend nicht tragbar ist.

 

Kumuliertes Haushaltsdefizit der USA

 

Gold scheint diese besorgniserregende Entwicklung der Staatsverschuldung indes genau zu verfolgen, was den aktuellen Höhenflug des Preises zum Teil erklärt.

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