Frankreich ist noch immer ohne Regierung, was in der fünften Republik eher ungewöhnlich ist. Gewichtige politische Entscheidungen können dennoch getroffen werden: Die linksgerichtete Partei La France insoumise (LFI) wird einen Gesetzesvorschlag zur Außerkraftsetzung der Rentenreform einreichen und die Rechtspopulisten des Rassemblement National (RN) haben angekündigt, dass sie ihm zustimmen werden, womit die notwendige Mehrheit bereits gesichert ist (Le Figaro). Eine Entwicklung, die nicht geneigt ist, die internationalen Investoren zu beruhigen, und die mit Blick auf die Zinskosten der französischen Staatsschulden teuer werden könnte! Sicher, diese Rentenreform war oberflächlich und parametrisch. Trotz der landesweiten Proteste, die sie hervorrief, bot sie keine tiefergehenden Lösungen. Die Einführung einer zumindest optionalen Kapitalisierung wäre notwendig gewesen. Als reine Anpassung eines in sich gescheiterten Systems (Rentenfinanzierung per Umlageverfahren) bestand ihr einziges Ziel darin, ein starkes Signal der Disziplin und der Reformwilligkeit an die internationale Bühne zu senden. Dieser künstliche Nutzen wird sich nun in Luft auflösen.
Es gibt noch immer keine Regierung, aber die Wirtschaft läuft weiter, wenn auch nicht sehr gut: Die Zahl der Unternehmenspleiten übersteigt den Höchstwert, der während der Subprime-Krise von 2008 erreicht wurde. Die Olympischen Spiele führen dazu, dass sowohl die Pariser als auch die Touristen aus der Hauptstadt fliehen. Man muss wirklich dumm sein, wenn es einem nicht gelingt, von einer solchen Veranstaltung zu profitieren! Das Aufstellen von 44.000 Absperrzäunen und die Einführung des Zugangspasses lassen das Stadtzentrum wie ein Gefängnis wirken. Das Bild, mit dem man sich dem Rest der Welt präsentiert, ist katastrophal. Die Unternehmensgruppe Vivendi, einer der größten Börsenwerte im französischen Aktienindex CAC 40, hat übrigens eine symbolische Entscheidung getroffen, die widerspiegelt, wie stark Paris an Attraktivität verloren hat: Das Unternehmen wird sich aufspalten und Canal+ in London und Havas in Amsterdam listen lassen. Nur das Verlagshaus soll in Paris bleiben (La Tribune). Das wirft auch ein neues Licht auf die Überlegungen von TotalEnergies, eine doppelte Börsennotierung in Paris und in New York anzustreben.
Kurz gesagt nimmt das Bild von Frankreich in der Welt zu einem Zeitpunkt, an dem das Haushaltsdefizit völlig außer Kontrolle zu geraten scheint, zusätzlichen Schaden. Der Fehlbetrag hat das gleiche Niveau erreicht wie während der Coronakrise, als die Wirtschaft auf Eis gelegt und vom Staat unterstützt wurde! Erinnern wir uns daran, dass die Hälfte der Staatsschulden von ausländischen Gläubigern gehalten wird („Gebietsfremde“, um bei der offiziellen Terminologie zu bleiben). Jedes ausgeprägte Misstrauen dieser Gläubiger würde sich in einer Krise „nach griechischer Art“ äußern – mit dem Unterschied, dass die französische Wirtschaft gemessen am BIP zehnmal so groß ist und ein Rettungsplan folglich nicht umsetzbar wäre (wer würde in den Topf einzahlen?) Ein drastischer Sparplan wäre also notwendig. Guten Tag, hier ist der IWF! Oder genauer gesagt, die „Troika“, wenn wir schon von den Parallelen zu Griechenland sprechen (Europäische Zentralbank, Europäische Kommission, Internationaler Währungsfonds). Das würde die Stimmung gehörig verderben.
Emmanuel Macron kündigte am 23. Juli an, dass er erst nach den Olympischen Spielen einen Premierminister ernennen werde, und forderte die politischen Kräfte zu Verhandlungen auf. Er setzte auf die „breiteste Basis, die es ihm ermöglicht zu handeln und die Stabilität zu wahren“. Eine gewagte Wette: Das linke Bündnis Nouveau Front populaire (NFP), das hinsichtlich der Anzahl an Abgeordneten den ersten Platz einnimmt, wenngleich es von einer Mehrheit noch weit entfernt ist, fordert das Amt für sich ein und schlägt Lucie Castets vor, lehnt eine breitere Koalition aber gleichzeitig ab.
All diese Spitzfindigkeiten könnten plötzlich bedeutungslos werden, wenn es zu einer Haushaltskrise kommt und die Märkte das Ende dieses Pokerspiels beschließen. Anstelle eines Premierministers hätten wir dann die Troika, und das wäre kein Spaß.
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