„Die inflationsgebundenen Anleihen fliegen uns um die Ohren“ schrieben wir am 7. Juli, um den Skandal dieser toxischen Schuldverschreibungen (20 Milliarden €, 10 % der insgesamt ausgegebenen Staatsanleihen) anzuprangern. Jetzt, da die Inflation zurückgekehrt ist, kosten sie uns ein Vermögen: 15 Milliarden € an Zinskosten 2022, während die zu festen Zinsen ausgegebenen Anleihen (90 % der Gesamtmenge) lediglich Kosten in Höhe von 2 Milliarden € verursachen. Zudem handelt es sich bei den 15 Milliarden € um eine optimistische Schätzung, die auf einer Inflationsrate von 6 % beruht (15/250 = 0,06; ausgeschüttete Zinsen geteilt durch den Gesamtbestand) und auf 20 oder 25 Milliarden € anwachsen könnte, falls die Inflation sich bis Jahresende auf 8 % oder 10 % beläuft. Die meisten dieser Schuldverschreibungen sind an die Inflation in der Eurozone gekoppelt (sogenannte OAT€i) und nicht an die Inflation in Frankreich (OATi), die etwas niedriger ist.
Warum gibt der Staat überhaupt weiterhin diese Anleihen aus, wenn die Inflation bereits mit Fanfaren zurückgekehrt ist? Warum dieser selbstmörderische Starrsinn? Wir haben die folgende Hypothese: Frankreich muss das tun, um seine Kunden zufriedenzustellen. Versetzen wir uns in die Lage der Investoren, die französische Staatsanleihen teils zu Festzinsen und teils zu variablen Zinsen kaufen: Wenn die Inflation zurückkehrt, können sie ihre Verluste begrenzen, weil die OATi und OAT€i ihnen hohe Einnahmen bringen, die die schlechte Performance der festverzinslichen Anleihen kompensieren. Wenn der Staat sich einfallen ließe, ihnen keine rentablen Produkte mehr anzubieten, würden sie sich von den französischen Schuldverschreibungen abwenden und die Zinsen stiegen weiter an, so wie in Griechenland 2011 oder wie in Italien, wenn eine Krise naht. Der Bankrott wäre dann nicht mehr sehr fern.
Just am 25. Juli hat der französische Finanz- und Wirtschaftsminister Bruno Le Maire unsere Hypothese bestätigt, als er auf die Frage eines Abgeordneten antwortete. Das Finanzministerium emittiert diese Titel weiterhin, weil sie „einer sehr konkreten Nachfrage seitens der Versicherer, Lebensversicherungen, dem Livret A [einem steuerbefreiten Sparprodukt, A.d.Ü.] und dem Volkssparbuch entsprechen“, erklärt er.
„Bruno Le Maire bestätigt meine Hypothese: Das Finanzministerium gibt aus Untertänigkeit gegenüber den üblichen Klienten weiterhin Inflationsanleihen (OATi) heraus (aber den Staatshaushalt kommt das teuer zu stehen!). Danke an @JphTanguy für die Frage.“
Bruno Le Maire confirme mon hypothèse : Bercy continue d’émettre des obligations indexées sur l’inflation (#OATi) par soumission aux clients habituels (mais ça coûte une fortune au budget!). Merci à @JphTanguy d'avoir posé la question.
— Philippe Herlin (@philippeherlin) July 26, 2022
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Wir erlauben uns, die Worte des Ministers anzuzweifeln: Es handelt sich um die Nachfrage von Käufern der französischen Schulden, ja, aber nicht um die erwähnten Käufer. Andernfalls würden die Ersparnisse der französischen Bürger mehr abwerfen. Es handelt sich vielmehr um eine Nachfrage seitens ausländischer Kunden, die ihrerseits den französischen Anleihen ganz einfach den Rücken kehren könnten, um in anderen Ländern zu investieren. Diese „nicht ansässigen“ Investoren, so die offizielle Ausdrucksweise, halten 48,5 % der Staatsschulden Frankreichs (Monatsbericht der Agence France Trésor, S. 4). Ihr Misstrauen würde sofort eine tiefe Krise auslösen.
Es handelt sich in Wirklichkeit um mehr als eine bloße Nachfrage, sondern um Erpressung: „Wenn ihr aufhört, diese äußerst rentablen Anleihen auszugeben, hören wir auf, eure Schulden zu kaufen“, sagen die großen internationalen Investoren Frankreich, und das Land fügt sich.
Das bedeutet, dass der Zinssatz der 10-jährigen Staatsanleihen Frankreichs (der durch den Handel mit den Schuldtiteln ermittelte Marktzins), der Referenzzinssatz, der weltweit zum Vergleich verschiedener Länder herangezogen wird, schlichtweg falsch ist. Er ist eine Lüge. Er ist zu günstig, weil ein „Geschenk“ ihn künstlich sinken lässt. Ohne die OATi und OAT€i, lägen die Zinsen der französischen Schulden auf dem gleichen Niveau wie die Italiens – oder darüber. Doch die Explosion der Zinskosten für inflationsgeschützte Anleihen wird diese List zunehmend untragbar machen. Die Inflationsanleihen werden die Misere nicht mehr lang verschleiern können. Die Märkte werden schon bald beginnen, die Schulden Frankreichs mit Sorge zu betrachten.
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