Hören Sie Folge 2 des Podcasts „À l'Orée de l'Éco“, präsentiert von Tom Benoit:

 

 

Hallo, hier ist Tom Benoit, und ich möchte Ihnen heute von China und dem jüngsten Höhenflug der Märkte berichten. In der vergangenen Woche war der Handel an den Börsen in Shanghai und Hongkong so rege, dass Aufträge manchmal nicht einmal mehr innerhalb der vorgegebenen Fristen bearbeitet werden konnten. Die Maklerfirmen waren überfordert. Was war da los? Kann und wird sich die chinesische Börse zu einer echten Börse nach amerikanischem Vorbild entwickeln? Wird der chinesische Immobilienmarkt wieder anziehen? Und der Luxussektor auch?

In der letzten Woche sprang der Index CSI 300, der 300 der größten börsennotierten Unternehmen Chinas umfasst, um 15,7 % nach oben – eine rekordverdächtige Rally, wie wir sie seit mindestens 15 Jahren nicht mehr erlebt haben.

Am Handelsplatz von Hongkong war die Lage ebenso außergewöhnlich. Am Freitag, dem 27. September, schloss der Hang Seng mit einem Plus von 3,55 %. Im Wochenverlauf legte der Leitindex der Hongkonger Börse insgesamt 13 % zu und verzeichnete damit seine beste Wochenperformance seit 1998. Zuvor schien die Entwicklung der chinesischen Aktien jedoch seit einigen Monaten etwas ins Stocken geraten zu sein.

Der Grund für diesen plötzlichen Sonnenaufgang ist zweifellos die Ankündigung des Konjunkturpakets, das die chinesische Regierung vor einigen Tagen bekannt gegeben hat. Dies war sicherlich der Auslöser für die rasanten Kursgewinne. Darüber hinaus zeigen viele Analysen, dass chinesische Aktien derzeit stark unterbewertet sind.

Die grundlegende Frage, die sich stellt, ist jedoch die nach der langfristigen Zukunft der chinesischen Börse und ihrer Architektur. Diese ist dabei, sich zu verändern und weiterzuentwickeln; fast könnte man sagen, dass sie verwestlicht und amerikanisiert wird.

Die chinesische Führung sendet zunehmend Signale aus, die darauf schließen lassen, dass sie in China gerne ein ebenso effizientes Börsen-Ökosystem wie in den USA sehen würde. Erst diese Woche gab die chinesische Finanzmarktaufsicht bekannt, dass ein schnelles Genehmigungsverfahren für ETFs (börsennotierte Indexfonds) eingeführt werden soll.

Es ist also nicht nur das Versprechen von Liquiditätsspritzen, das für positive Stimmung an den Märkten sorgt. Auch wenn natürlich die Erklärung von Pan Gongsheng, dem Vorsitzenden der Chinesischen Volksbank, am vergangenen Dienstag einen großen Einfluss hatte. Darin hatte er ankündigte, insgesamt 1 Billion Yuan in die Wirtschaft zu pumpen, was etwas mehr als 140 Milliarden US-Dollar entspricht.

Wir bemerken zudem, dass die chinesische Regierung ihren Kurs stark am Volk ausrichtet. Die Idee ist nicht, eine Reihe von losgelösten Maßnahmen zu ergreifen, die wenig Einfluss auf die Bevölkerung und die von ihr favorisierten Sektoren und Märkte hätten. Nein, es gilt den krisengeschüttelten Immobiliensektor anzukurbeln, der etwa 25 % des chinesischen BIP ausmacht, und die Wirtschaftsaktivität in allen anderen Sektoren, die bislang florierten, wieder zu stärken, beispielsweise in der Luxusgüterbranche.

Das sind gute Nachrichten für LVMH und andere Konzerne, die „sozialen Status“ verkaufen, denn tatsächlich ist China nach wie vor der weltweit zweitgrößte Kunde des Luxussektors. Im Jahr 2023 kamen 16 % der rund 360 Milliarden Euro, die insgesamt in diese Branche flossen, aus China.

Es ist also ganz logisch, dass der Kurs vom LVMH in den ersten Stunden nach der Ankündigung des Konjunkturprogramms zu steigen begann. Bernard Arnault, dessen Vermögen stark von den Wertschwankungen der LVMH-Aktie abhängt und der ihren nervenaufreibenden Sinkflug von 872 Euro im März auf nur noch 590 Euro in den letzten Tagen monatelang still und leise beobachtet hatte, dürfte dies sicherlich beruhigen. Bloomberg berichtete vor einigen Wochen, dass das Vermögen des Milliardärs, der vor nicht allzu langer Zeit der reichste Mann der Welt war, um 28 Milliarden Dollar geschrumpft ist. Allerdings musste sich der Aufstieg von LVMH verlangsamen. Seit Mitte der 2010er Jahre konnte die Aktie stetig zulegen, während manche andere große Luxusgüterkonzerne ganz aus dem Rennen gingen. Heute ist das Unternehmen immer noch sehr solide und gut organisiert.

Abgesehen vom Vorhandensein ausreichend verfügbarer Liquidität hängt die zukünftige Physiognomie des Luxussektors hauptsächlich von drei Faktoren ab:

  • In finanzieller Hinsicht wird es wahrscheinlich zur Neuordnung der Aktienmärkte und des Währungssystems kommen.
  • Unter dem Gesichtspunkt der politischen Dimension könnten sich die wiederholten Umstrukturierungen, die durch neue Reglementierungen und Zölle verursacht werden, negativ auf die stark globalisierte moderne Luxusbranche auswirken.
  • Schließlich kommt auch eine neue Form des Wettbewerbs auf, die eine Herausforderung für die großen Luxusunternehmen darstellt. Diese Konkurrenz besteht aus qualitativ hochwertigeren Produkten, deren Vermarktung nicht vom Image einer Marke abhängt. Italien, das heute wieder zu den vier größten Exportnationen der Welt zählt, setzt dieses neue Modell in zahlreichen Branchen um, indem es hochqualitative Produkte verschiedener Art exportiert und zu Preisen anbietet, die weit unter denen der großen Luxuskonzerne liegen.

Um die Vergabe von Bankkrediten anzukurbeln und damit die Wirtschaft zu stützen, hat die chinesische Zentralbank mehrere Zinssätze gesenkt. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Zinsentscheidungen in den kommenden Monaten und Jahren immer wieder zwischen Anhebungen und Senkungen hin- und herpendeln werden. Die chinesische Führung verfolgt nämlich zweifellos zwei Ziele, die beide löblich sind, aber in puncto Zinsniveau unterschiedliche Richtungen erfordern: zum einen die Wiederbelebung der Konjunktur und zum anderen das Ziel, langfristig über einen wenn nicht starken, so doch zumindest respektablen Yuan gegenüber anderen Währungen zu verfügen.

Im Moment konzentrieren sich die Behörden auf die erste dieser beiden Prioritäten, indem sie eine Kapitalspritze für sechs große Geschäftsbanken planen. Zudem soll der Zinssatz für Immobilienkredite um 0,5 % gesenkt werden und es sind weitere Maßnahmen geplant, um die chinesischen Haushalte zu motivieren, sich für Investitionen in Immobilien zu verschulden. Beispielsweise wird sich das nötige Eigenkapital für den Erwerb einer Zweitwohnung nur noch auf 15 % des Gesamtbetrages belaufen, statt wie bisher 25 %.

Im Zuge der Verwestlichung der chinesischen Börse wird die Chinesische Volksbank auch direkt Kredite an große Finanzmarktteilnehmer vergeben, damit diese Aktien kaufen können. Hierbei handelt es sich um eine Liquiditätshilfe im Umfang von zunächst 500 Milliarden Yuan, die aber im Laufe der Zeit sogar auf das Dreifache ansteigen könnte. Darüber hinaus wird man viele Transaktionen überdenken, die in den USA oder in Europa möglich, in China aber kompliziert oder verboten sind. In Kürze soll beispielsweise ein Plan bekannt gegeben werden, um die Anzahl der Unternehmensfusionen und -übernahmen zu steigern.

China sieht außerdem eine Erhöhung seiner Staatsverschuldung vor. Machen wir uns nichts vor – die Situation ist keineswegs mit der Lage Frankreichs zu vergleichen, das in Schulden versinkt, aber keine glaubwürdige Aussicht auf Wertschöpfung hat. Xi Jinping will offenbar um jeden Preis verhindern, dass das Wachstum seines Landes auf ein normales Niveau zurückfällt und unter die symbolische Schwelle von 5 % sinkt. Dafür setzt er alle Hebel in Bewegung, und davon gibt es reichlich. Auch darin unterscheidet sich die Situation deutlich von der, die wir hier erleben.

Zu den geopolitischen Faktoren, die die nächsten Entscheidungen der chinesischen Führung beeinflussen dürften, gehören natürlich die Beziehung zur Europäischen Union – ich spreche hier von Dissonanzen bzw. Übereinkünften mit der Europäischen Kommission – und vor allem die Präsidentschaftswahl in den USA, deren Ausgang von Peking mit Ungeduld erwartet wird. Andererseits wird die zunehmende (oder abnehmende) Marginalisierung Russlands in der westlichen Welt direkte Auswirkungen auf die chinesische Wirtschaft und Industrie haben, sei es bei Energieimporten, bei der Umstrukturierung von Banken, Anleihen und Währungen innerhalb der BRICS-Staaten oder bei der potenziellen Zusammenarbeit im Industrie- und Verteidigungsbereich.   

Die vollständige oder teilweise Vervielfältigung ist gestattet, sofern sie alle Text-Hyperlinks und einen Link zur ursprünglichen Quelle enthält.

Die in diesem Artikel bereitgestellten Informationen dienen rein informativen Zwecken und stellen keine Anlageberatung und keine Kauf- oder Verkaufsempfehlung dar.