Während die Inflationsraten so hoch stehen wie seit Jahrzehnten nicht mehr, scheint der Goldpreis nicht vom Fleck zu kommen. Woran liegt das? Hier meine Analyse.
Als Otto-Normalbürger(in) weiß man: Inflation macht alles teurer und vernichtet auf Dauer Geldvermögen. Aber nicht automatisch steigt der Goldpreis.
Schreckgespenst Inflation?
Inflation ist an den Finanzmärkten eines der Schlagworte dieser Tage. Steigt sie weiter? Sinkt sie? Was geschieht dann mit den Zinsen? Warum steigt der Goldpreis nicht?
Zunächst einmal ist Inflation ein technischer Begriff. Darunter versteht man allgemein den Prozess anhaltender Preisniveausteigerungen (Gablers Wirtschaftslexikon). In der österreichischen Schule spricht man mitunter bereits von Inflation, wenn die Geldmenge wächst, oder zumindest schneller zunimmt als die Wirtschaftsleistung in einem Währungsraum.
Was ist wichtig?
Die Ursachen für Inflation können vielfältig sein. Es handelt sich aber generell um ein monetäres Phänomen. Sprich: Inflation verringert die Kaufkraft des zugrundeliegenden Geldes. Über das Thema wurden bereits unzählige Bücher veröffentlicht. Ich konzentriere mich auf zwei wesentliche Aspekte:
- Wann bewegt Inflation die Finanzmärkte, inklusive Goldpreis?
- Wie werden sich die offiziellen Inflationsraten in den USA und in Europa weiter entwickeln?
Inflationsschutz?
Immer wieder, auch in den vergangenen Monaten, erklärten Finanzexperten, dass Gold gar keinen guten Inflationsschutz biete. Vorgerechnet wird dann die Kursentwicklung und verglichen wird beispielsweise mit dem Aktienmarkt. Kurz: Aktien, also die großen westlichen Indizes, steigen und steigen, während der Goldpreis vor sich hindümpelt und schon wieder einige Prozent von seinem Allzeithoch entfernt ist.
Inflationserwartungen
Aber viel wichtiger als die jeweils aktuellen Inflationsraten sind die Inflationserwartungen. Denn diese bestimmen das Handeln der Verbraucher und das der Akteure an den Finanzmärkten. Wenn ich erwarte, dass die Inflation stark steigt, versuche ich mich zu schützen. Wenn mir die Zentralbanken erzählen, dass die Inflation nur vorübergehend (wie derzeit) ist und ich den Geldpolitikern vertraue, dann sinkt der Wille zur Umsetzung einer entsprechenden Absicherungsstrategie. Statt Gold kaufe ich als renditeorientierter Anleger dann womöglich lieber Aktien oder wähle generell ein höheres Anlagerisiko.
Die Praxis bestätigt diese Annahme meiner Meinung nach. Denn der Goldpreis stieg 2020 auch deshalb besonders stark an (Allzeithoch am 05.08.2020 bei 2.069 USD; US-Futures), weil durch die enormen Summen an angekündigtem Hilfs- und Zentralbankgeld im Zuge der Coronakrise auch die Inflationserwartungen stiegen.
Goldpreis-Erwartungen
Was bedeutet das für die nahe Zukunft? Der Goldpreis dürfte im Zusammenhang mit der Inflation wieder stärker anziehen, wenn die entsprechenden Erwartungen an höhere Preise steigen.
Einige unserer Leser werden jetzt einwenden, der Goldpreis sei manipuliert und deshalb nicht mehr stärker gestiegen. Und noch einmal möchte ich dazu sagen, damit macht man es sich insgesamt zu einfach. Ja, der Goldpreis wird genauso manipuliert wie Zinsen, Aktien-, Devisen- und Anleihekurse. Dennoch haben wir bis zum August 2020 eine starke Gold-Rally erlebt – eben auch aus den genannten Gründen/Erwartungen.
Wie geht es weiter mit der Inflation?
Wann werden neue Inflationserwartungen geschürt? Nun, zunächst einmal dann, wenn sich herausstellen sollte, dass die höhere Inflation doch kein vorübergehendes Phänomen darstellt. In den USA kam die offizielle Inflationsrate im August wieder etwas zurück auf weiterhin hohe 5,3 Prozent. Ist das Plateau damit erreicht?
Marktreaktionen
Einordnung: Schon immer gab es unter Skeptikern Zweifel über die wahre Ausprägung der Teuerung – besser: hinsichtlich der Aussagekraft des Verbraucherpreis-Index. Und nun wird hoffentlich noch einmal deutlich, worum es mir geht. Nicht die tatsächliche Inflation (was auch immer man darunter versteht) ist entscheidend für die Kursentwicklung bei den verschiedenen Assetklassen, sondern die Wahrnehmung der Akteure und deren daraus resultierendes Verhalten.
Zentralbank-Credo
Wenn die Zentralbankvertreter uns einbläuen, dass die Inflation wieder verschwindet, dann hoffen sie, dass man ihnen glaubt. Sie wissen es aber selbst nicht genau. Und es besteht ein gewisser Zwangsoptimismus. Denn ginge man von anhaltend hohen Teuerungsraten aus, dann müssten die Geldpolitiker die Zinsen anheben. Und das wiederum würde der gerade erst mit frischem Geld beflügelten Konjunktur und den aufgeblähten Aktienmärkten wohl ernsten Schaden zufügen.
Schöne Aussichten?
Aber kommen wir zu den Inflationsaussichten. Vielleicht haben Fed und EZB ja recht. Was die offiziellen Inflationsraten angeht, könnten wir in den kommenden Monaten tatsächlich einen Rückgang erleben. Hier ein paar Argumente.
Inflation wird im Zeitverlauf gemessen, die Ausgangsbasis ist also entscheidend (Stichwort: Basiseffekt). Zunächst einmal sind die offiziellen Inflationsraten von den Energiepreisen dominiert. Sinkt der Ölpreis innerhalb eines Jahres deutlich, dann wirkt dies dämpfend auf die Inflation.
Hinzu kommt: Es herrschte in den vergangenen Monaten eine Knappheit an wichtigen industriellen Gütern, darunter verarbeitetes Holz, Microchips, Baustoffe. Diese Effekte sind durch die Coronakrise bedingt. Denn gleichzeitig ist in der Pandemie die Nachfrage nach langlebigen Gütern gestiegen – auch in privaten Haushalten. Dazu gehören E-Bikes, Laptops und Spielekonsolen genauso wie Solaranlagen oder Gartenüberdachungen und vieles mehr.
Vom Engpass zum Überschuss?
Im Gegenzug baut die Industrie nun in vielen Bereichen die Fertigungskapazitäten aus. Chip-Fabriken werden aus der Erde gestampft und die Gerätehersteller produzieren auf Hochtouren – sofern die Bauteile verfügbar sind. Allerdings kann diese Entwicklung in einigen Monaten zu erheblichen Überkapazitäten führen (Stichwort „Schweinezyklus“) und auf die Preise drücken. Insbesondere dann, wenn die Nachfrage in boomenden Märkten gesättigt ist, wir einen wirtschaftlichen Abschwung erleben und/oder die Börsen crashen. Das heißt, vielleicht erleben wir in einem Jahr sogar eine technische Deflation.
Gold als Inflationsschutz
Darüber hinaus ist völlig unstrittig, dass Gold vor Geldentwertung (Inflation) schützt. Ich habe dies auch im Ratgeber „Altersvorsorge mit Gold“ über verschiedene Zeiträume seit 1970 statistisch dargelegt. Das Edelmetall schützt aber vor allem dann, wenn man die Sache bis zum Schluss weiterdenkt. Sprich: Wenn der Schulden-, der Währungsschnitt oder gar die Währungsreform kommt und das staatliche Geld nichts mehr wert ist, oder von den Verwendern zumindest als wertlos betrachtet wird. Finanzwerte gehen unter, Gold bleibt.
Keine Hyperinflation
Auf der anderen Seite halte ich es, auch vor dem Hintergrund der geschilderten Zusammenhänge, für unwahrscheinlich, dass wir so bald in eine galoppierende Inflation (oder gar Hyperinflation) hineinhoppeln. Denn für eine solche Entwicklung wäre ein starkes Währungsgefälle erforderlich, wenn also beispielsweise der Euro entsprechend an Außenwert verliert und damit die Importpreise explodieren. Derzeit werden aber alle Währungen gleichzeitig verwässert. Und damit fällt die Geldschwäche nicht weiter auf. Und das ist auch im Sinne der Währungshüter. Man wirkt einem Vertrauensverlust gegenüber der Währung entgegen, indem man die Signale der allgemeinen Währungsschwäche unterdrückt. Ein dauerhaft stark steigender Goldpreis ist somit nicht im Sinne der Geldpolitik.
Fazit – Goldpreis
Und hier schließt sich dann der Kreis. Der Goldpreis stieg zuletzt nicht mehr, weil die Markterwartungen dem entgegenstanden und die Zentralbanken der Kursentwicklung aller Assetklassen kurzfristig immer wieder in Ihrem Sinne beeinflussen (siehe auch: Verhindern Zentralbanken den Goldpreis-Ausbruch?). Wie sich die Inflation in der kommenden Zeit entwickelt, wird von der Wirtschaftsentwicklung abhängen.
Und damit wäre ich wieder beim meinem Grundsatzmotto: Wenn Gold seinen wahren Wert offenbart, ist es egal zu welchem Preis sie es gekauft haben. Dann geht es nur darum, welches zu besitzen!
Originalquelle: Goldreporter
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